Die Oberstaatsanwaltschaft Köln beschuldigt Angehörige der rumänischen Botschaft in Bonn. Zwei Diplomaten stehen im Verdacht, rumänische Bandenchefs, die in Deutschland Kinder auf Diebestour schicken, mit gefälschten Reisedokumenten ausgest

Die Oberstaatsanwaltschaft Köln beschuldigt Angehörige der rumänischen Botschaft in Bonn. Zwei Diplomaten stehen im Verdacht, rumänische Bandenchefs, die in Deutschland Kinder auf Diebestour schicken, mit gefälschten Reisedokumenten ausgestattet zu haben.

Lizenz für den organisierten Klau?

Der Kölner Polizei ist nach eigenen Angaben ein bedeutender Schlag gegen die organisierte Kriminalität gelungen. Sie enttarnte ein Netz rumänischer Banden, die mindestens 100 Kinder und Jugendliche in ihrer Heimat rekrutiert, zu Taschendieben ausgebildet und vorwiegend in Nordrhein- Westfalen auf Diebestour geschickt hatten. Da die ermittelnde Oberstaatsanwaltschaft Angehörige der rumänischen Botschaft in Bonn beschuldigt, den Bandenchefs gefälschte Pässe ausgestellt zu haben, könnte es zu einer diplomatischen Belastungsprobe zwischen Rumänien und Deutschland kommen. Ein Botschaftssprecher zeigte sich verwundert, daß vor einer umfassenden Information der Botschaft durch das Bonner Auswärtige Amt Verdächtigungen an die Öffentlichkeit gelangen konnten.

„Die Kinder wurden als Arbeitssklaven mißbraucht“, sagte der Chef der Kölner Kommissariate für das „Organisierte Verbrechen“ (OK), Norbert Wagner. Die Mädchen und Jungen im Alter von acht bis 20 Jahren standen unter dem Kommando von 25 „Bossen“, von denen aber bisher nur acht in Untersuchungshaft sitzen. Die übrigen Drahtzieher seien durch eine „undichte Stelle“ bei der rumänischen Polizei gewarnt worden. Einem der Bosse, einem rumänischen Ex-Boxer, wies die Polizei nach, aus den für ihn arbeitenden Kindern in eineinhalb Jahren 450.000 Mark gepreßt zu haben.

Nach polizeilichen Erkenntnissen „organisierten“ die Gangster die Kinder in Heimen der ostrumänischen Bezirkshauptstadt Iasi. In einigen Fällen kauften sie die Kinder auch ihren Eltern ab oder handelten mit diesen eine Gewinnbeteiligung aus. Ihre „Ausbildung“ erhielten die Kinder durch „jugendliche Profis“ auf Wochenmärkten in Warschau. Anschließend wurden sie über Berlin nach Köln geschleust und in konspirativen Wohnungen untergebracht.

Zum täglichen Einsatz ließen die Bosse ihre Opfer in die Fußgängerzonen Bonns, Aachens oder anderer Städte des Ruhrgebiets bringen. Jedes Kind mußte pro Tag zwischen 2.000 und 3.000 Mark Beute machen. Wem dies nicht gelang, wurde verprügelt. Nach Aussagen von Kindern, die sich absetzen konnten, starb einer ihrer Leidensgenossen aufgrund von Mißhandlungen. Die Polizei hatte drei aussagebereiten Kindern zuvor zugesagt, sie in ein Zeugenschutzprogramm aufzunehmen, um sie vor der Verfolgung der Bosse zu schützen.

Die Kölner Kripo war den Bossen bereits 1996 auf die Spur gekommen. Die Ermittlungen hätten sich aber als schwierig erwiesen, weil diese bei ihrer Einreise nach Deutschland gefälschte Papiere benutzten. Zum Teil beschafften sich die Bandenchefs Pässe, die von Patienten in Nervenheilanstalten in Ungarn stammten, oder sie besorgten sich bei Angehörigen der Botschaft in Bonn Ersatzpässe mit Phantasienamen. Nach Angaben eines Ermittlers handelt es sich bei einem der Beschuldigten um den ersten Botschaftssekretär. Ein zweiter Verdächtiger sei bereits nach Rumänien zurückgekehrt.

Botschafter Dunca will die Vorwürfe untersuchen lassen. Daß solche Beschuldigungen allerdings gegenüber der Presse ausgesprochen würden, ginge „in bilateralen Beziehungen eigentlich nicht an“, kritisierte Christian Radu, dritter Sekretär der Botschaft. Die beiden verdächtigten Botschaftsangehörigen unterliegen nach Auskunft des Kölner Oberstaatsanwalts Egbert Bülles der Immunität. Letzlich sei es nun Sache Bonns, zu entscheiden, ob „derartige Diplomaten in Deutschland noch tragbar sind“. Markus Dufner, Köln