Seil-Techno

■ Mal lautmalerische Comicsprache, mal kämpferisches Brüllen: Das Tanzstück "Fake Book" von Howard Katz Fireheart im Dock 11

Der Abend bringt eine kleine Erkenntnis: Techno (mit Hundegebell) ist mitunter auch nur eine Form von rhythmischer Gymnastik (mit Seilchenspringen). Denn in der ständigen Verschiebung des sozialen Kontextes, vor dem wir eine Bewegung entschlüsseln, liegt der Witz des „Fake Book“, das Howard Katz Fireheart mit Jean- Marc Lebon und Alexander Ambite y Mensen erarbeitet hat. Männerrituale, Kinderspiele, die Suche nach Verklärung des eigenen Leibs im Ballettsaal und die Mythisierung der Kraft im Kampfsport: Immer wieder scheint das eine im anderen auf. Schon die Anzüge, hinten Frack, vorne Kittel, visualisieren das Spiel mit den Codierungen des Körpers.

Daß die Biographie eines Tänzers neben der Ausbildung in klassischen und modernen Techniken auch Gesang, Schauspiel und asiatischen Kampfsport aufweist wie bei Howard Katz Fireheart, gehört heute fast zur Voraussetzung für Performer. Denn kaum noch eine Körpertechnik kann für sich beanspruchen, als allgemeingültige Sprache zu funktionieren. Das Surfen quer durch die Stile versucht vielmehr der Segregation der Gesellschaft in Generationen, Szenen und Interessengruppen gerecht zu werden und über den Preis für den mehrmals täglich geforderten Rollenwechsel nachzudenken.

Aus dieser Erfahrung speist sich das „Fake Book“. Manchmal reden die drei Tänzer in einer lautmalerischen Comicsprache aufeinander ein oder brüllen irgendwie kämpferisch. Pantomimisch spielen sie Hund, Espressomaschine und Fernseher mit Bildstörung. So ist ein Teil ihrer Gesten aus dem Alltag wiedererkennbar, vom Publikum sofort mit dankbarem Lachen belohnt.

Andere Bewegungsfolgen erinnern an die Fremdheit chinesischer Schriftzeichen. Doch an einer Struktur, Sinn und Unsinn zu binden, fehlt es dem „Fake Book“, das mehr nach einer Sammlung von Ideen und Skizzen aussieht. Die Zeit zerfällt in Abschnitte, die immer länger werden. Besonders wenn die Gags verpulvert sind und die Tänzer sich nun doch auf die Suche nach dem Eigenen ihres Körpers machen, wird das Stück zäh.

Die Besucher der Premiere applaudierten trotzdem heftig: Denn am Dock11, wo Fireheart teilweise auch unterrichtet, entwickelt sich aus Kursen und Aufführungen eine Nachwuchsszene, die allein schon das gute Material für ein noch nicht überzeugendes Stück zu schätzen weiß. Katrin Bettina Müller

„Fake Book“ im Dock11, Kastanienallee 79, 10435 Berlin, 21./22. u. 26.–29. März, 20.30 Uhr