Der Vormann

Morgen soll Peter Voß der strahlende erste Intendant beim Megasender Südwestrundfunk werden – hinter ihm werfen mächtige CDUler schwarze Schatten  ■ Von Wolfgang Messner

Zunächst einmal ist Indentant ein Job, den jeder machen kann. Das ist nicht so schwer – glaubt jedenfalls die Bild-Zeitung. Das Blatt fahndete vor reichlich einem Monat unter Hinz und Kunz nach dem Chef des neuen „Super-Senders Südwestrundfunk“: „Intendant gesucht. Haben Sie Lust auf 20.000 Mark im Monat und S-Klasse mit Fahrer?“ Willi Schumacher (66), Rentner aus Kaltental, hatte nichts dagegen einzuwenden. Er hat auch schon ein Programm: „Sexfilme raus, dafür Krimis rein. Und jeden Tag Volksmusik.“

Das wäre Fernsehen ganz nach dem Geschmack von Peter Voß. Der Intendant des Baden Badener Südwestfunks (SWF), der bis zum Oktober mit dem Stuttgarter SDR fusioniert wird, steht auf „Tatort“ made in Baden-Württemberg und schaut zufrieden auf gute Einschaltquoten von „Der fröhliehe Weinberg“ und anderen volkstümelnden SWF-Produktionen. Morgen wird Voß den „Top-Job“ (Bild) bekommen – bei der Rundfunkratssitzung in Stuttgart ist er der einzige Kandidat.

Daß der frühere Moderator des „heute-journals“ Gründungsintendant der vereinten Anstalt für Baden-Württemberg und Rheinland- Pfalz werden wurde, stand nie außer Zweifel, seit die Ministerpräsidenten beider Länder im vergangenen April die Senderfusion klar machten. Dennoch beschlossen die 74 Rundfunkräte Mitte Januar, die Stelle auszuschreiben. 16 Interessierte meldeten sich, drei durften sich einer „Findungskommission“ vorstellen. Ende vergangener Woche hatte sie ihre Arbeit getan. Der Kandidat der Kandidaten blieb als einziger übrig.

Die Sender-Ehe sei Voß' Werk, rühmen seine Befürworter. Das können ihm selbst seine Kritiker kaum streitig machen. Für den Hobby-Bergsteiger erfüllt sich mit der Fusion viel, politisch wie persönlich. Der 57jährige wird von Stuttgart aus über eine riesige Zwei-Länderanstalt gebieten, die nach dem WDR die zweitgrößte in der ARD sein wird – mit rund 4.200 Mitarbeitern und einen Etat von 1.6 Milliarden Mark. Damit wird Voß einer der mächtigsten Männer in der deutschen Medienszene sein – und in der ARD. Diese Karte spielt er 1999 aus, wenn er als Nachfolger von Udo Reiter (MDR) zum ARD-Vorsitzenden gewählt werden will.

In seinem Weg zur SWR-Spitze des SWR hat es sich Voß selbst schwer gemacht. Durch allzu forsches Auftreten erwarb sich der von Eitelkeit nicht freie SWF-Chef in Stuttgart den Ruf er sei ein „badischer Großkotz“ . Mit „Rambomentalität“ wolle der „Machtmensch“ den SDR kalt übernehmen, hieß es im SDR. Naßforsch machte der gebürtige Lübecker dort klar, daß man zwar beliebte aber leider antiquierte SDR-Radiosendungen werde streichen müssen. Darüber hinaus kündigte er – ganz der Macher – an, im neuen Sender würden erst einmal 650 Stellen wegfallen.

Eine so direkte Art waren viele SDR-Mitarbeiter von ihrem betulichen Dienstherrn Hermann Fünfgeld nicht gewohnt. Dabei geben auch Südfunker zu, daß Voß in der Sache oft recht habe. Besonders jene, die unter dem alten hierarchischen SDR-System zu leiden hatten, meinen hinter vorgehaltener Hand, es wäre gut, wenn hier mal einer aufräume. Denn im Vergleich zum einigermaßen effizient organisierten Südwestfunk wirkt der SDR wie ein schwerfällger Koloß.

Andererseits unterliegen die SWF-Gremien schon immer größerer parteipolitischer Einflußnahme als ihr Pendant beim SDR. Oberdeutlich trat dies bei den ersten Wahlen im SWR- Rundfunkrat zu Tage. Bis in die Nacht hatten sich in Hinterzimmern die roten und schwarzen „Freundeskreise“ um die Machtpositionen in den Räten gefeilscht. Deren Zusammensetzung wurde schon bei der Abmachung der Fusion von den Ministerporäsidenten so gestaltet, so daß die SWR-Aufseher von einem Parteien- und Staats-Einfluß gelenkt werden, wie sonst kein Sender in der Republik. So skrupellos reservierten die Staatsorgane sich Aufseherposten beim „staatsfreien“ Rundfunk, daß Verfassungsrechtler an der Zulässigkeit zweifeln. Kein Wunder, daß CDU-nahe Räte in den künftigen Gremien durchstimmen können. Alte SDR- Räte zeigen sich „entsetzt“ über die neue Linie – machten aber bald munter mit.

Wenn es nach dem neuen Boß geht, sollen künftige Vorgänge in den Gremien der Öffentlichkeit am liebsten verborgen bleiben – er wünscht, daß diese im stillen Kämmerlein tagen. Voß mag es eben nicht, wenn ihm viel hineingeredet wird.

Eine Ausnahme gibt es: Mit den Anregungen seiner christdemokratischen Freunde kann Voß durchaus leben. Der gelernte Journalist versteht es einerseits prächtig, sich nach außen als jovial und wertkonsertativ zu verkaufen. Intern aber gelten andere Regeln. Seit sich das CDU-Mitglied Voß im April 1993 erst im dritten Wahlgang mit zwei Stimmen Mehrheit durchsetzte, hat er Schlüsselpositionen knallhart mit Leuten nach seinem (politischen) Geschmack bestückt. Mit Ulrich Craemer und Bernhard Nellesen beispielsweise holte er Altbekannte vom ZDF. Craemer wurde Chef von „Report“. Intimus Nellessen bekam in Mainz den Job des Vize-Fernsehchefredakteurs, Aber auch die unteren Chargen interessieren den Chef. Es kommt vor, daß er unbotmäßige Redakteure anfährt: „Auf welchem Ticket reisen Sie eigentlich?“

Schon jetzt ist absehbar, daß Voß auch beim Großsender bestimmt, wer was wird. Im Hintergrund aber zieht beim Südwestrundfunk mit Gunther Oettinger ein noch Mächtigerer die Strippen. Der CDU-Fraktionsführer im Stuttgarter Landtag war einst maßgeblich daran beteiligt, daß Voß nach Baden-Baden kam. Jetzt rühmt er sich, daß er bei den Postenbesetzungen ein gewichtiges Wort mitgeredet habe.

Folglich ist der Kern der neuen Mannschaft üppig mit CDU-Parteigängern bestückt, auch wenn Voß beteuert, es gebe überhaupt „keine parteipolitischen Besetzungen“. Vielsagend schränkt er ein, eine „gewisse Verpflichtung“ spüre er natürlich schon. Voß verknüpfte seine Intendantenbewerbung mit der konservativ durchwirkten Namenliste für das siebenköpfige Direktorium, schreibt die Badische Zeitung.

Der als Verwaltungsdirektor vorgesehene Peter Boudgoust vom SDR war früher in der Stuttgarter CDU-Staatskanzlei tätig. Der Voß-Vertraute Peter Herrmann, einst Pressesprecher der CDU- Landtagsfraktion in Stuttgart darf SWR-Hörfunkdirektor werden. Auch CDU-Freund Nellesen profitiert erneut und und wird zum Fernseh-Chefredakteur Mainz befördert. Dort wird er wohl aufpassen, daß der von der Mainzer SPD- Staatskanzlei bestallte Landestunkhauschef Uwe Rosenbaum alles richtig macht. Der als Justitiar vorgesehene Heinjo Schröder (CDU-Ticket) wurde offenbar auf Druck der FDP durch den einstigen Sozialrichter Hermann Eicher ersetzt. Macht nichts: Schröder soll ersatzweise die Intendanz leiten. Ins Stuttgarter Landesfunkhaus zieht mit Deutschlandradio-Chefredakteur Willi Steul ein weiterer Konservativer ein, der sich schon mal bei Stuttgarts CDU-Regierungschef Erwin Teufel vorstellte. Soweit ist das Feld im neuen Schwarzfunk SWR bestellt.

Voß, durchaus ein Freund straffer Alleinführung, ist in der Sache SWR Antreiber und Getriebener zugleich. „Schattenintendant“ Oettinger kann mit seinem Mann zufrieden sein. Das Verhältnis gilt als innig, auch wenn es sich jüngst trübte. Denn kein anderer als der listige Schwabe hatte dafür gesorgt, daß der Intendantenposten ausgeschrieben wurde – als kleine Lektion für den oft schon zu selbstbewußten Voß. Auch Oettingers Prahlerei mit seiner Mitwirkung bei den Postenbesetzungen „fuchst“ Voß. Nun rätselt alle Welt, ob die beiden tatsächlich auseinander sind. Nicht doch. Eine Oettinger nahestehende CDU- Größe meint, es sei „dem Günther nur darum gegangen, sich im Machtgefüge mit dem Intendanten zu positionieren“. Schöner läßt sich kaum sagen, wer beim SWR das Sagen hat.