Von Gärtnern und Gießkannen

Friedliche Stimmung und selbstkritische Nabelschau: Im Forum Hauptstadtkultur in der Akademie der Künste wurde über einen effektiveren Einsatz der Fördergelder für die nicht institutionelle Musikszene diskutiert  ■ Von Gerrit Bartels

Es war ein friedlicher Abend bei der 17. Veranstaltung der Reihe „Forum Hauptstadtkultur“. Dieses Mal diskutierten in der Akademie der Künste Vertreter und Kenner der sogenannten Freien Musikszene, und sie schienen sich an die doppeldeutige Devise des ermordeten Rappers Notorious B.I.G. halten zu wollen: „Mo' money, mo' problems“. Zumindest wollte man kaum klagen über das mit den Jahren immer weniger werdende Geld, das den nicht fest institutionalisierten musikalischen Szenen aus Senatstöpfen zur Verfügung steht und für ein breites Spektrum von ernster bis alter Musik, von Rock, Jazz und improvisierter Musik bis hin zu der Musik vieler sogenannter „ethnischer“ Sparten reichen muß.

Vielmehr betrieb man Nabelschau und diskutierte darüber, wie man dieses Geld effektiver, will heißen nach durchschaubaren qualitativen Kriterien, verteilen kann, um dann neben den vielzitierten „Leuchttürmen“ wie Deutsche Oper oder Philharmonie ebenfalls ein wenig Glanz über die Tore Berlins hinaus zu verbreiten. Stichwort Exportfähigkeit, ohne die Vielfalt aus den Augen zu verlieren: eine Quadratur des Kreises.

Einmütig wiesen die Diskussionsteilnehmer auf die aus der Vielfalt und vor allem der Individualität resultierenden Probleme der einzelnen Szenen hin. Jazzmusiker seien in erster Linie Einzelkämpfer, meinte der Jazzjournalist Ulf Drechsel, schwierig sei es da, sich untereinander zu organisieren. Matthias Osterwold von Freunde Guter Musik e.V. sprach von einer „großen und unheimlich breit gefächerten Neuen Musikszene“, in welcher aber wenig „Vernetzung“ herrsche. Und Christian Kneisel von der Akademie der Künste machte gleich noch ein Faß mehr auf, indem er auf ästhetische Überschneidungen von Musik, neuen Klangformen und neuen Medien hinwies.

Nur der Musikjournalist Peter Pannke, Fachmann für Weltmusik, beklagte die „rudimentäre Förderung“ der ethnischen Musiksparten und ihre fehlenden Fürsprecher. Einen Grund dafür sah er allein in der Begriffsverwirrung, die auf diesem Gebiet auch an diesem Abend herrschte: Weltmusik, Musik fremder Kulturen, ethnographische Musik. Und er erinnerte noch einmal an die „Liquidation“ des Instituts für traditionelle Musik im letzten Jahr.

Doch einig waren sich alle: Das Kommunikationsdefizit zwischen den vielen Szenen müßte behoben werden und die Kräfte besser gebündelt. Verwundert und um Provokation bemüht, richtete daraufhin der Moderator Rainer Pöllmann die Frage an den gemütlich in der Runde sitzenden Staatssekretär für Kultur, Wissenschaft und Forschung, an Lutz von Pufendorf: „Die freie Musikszene scheint relativ zufrieden. Haben Sie was falsch gemacht?“

Pufendorf, der das schöne Wort der in Berlin grassierenden „Evaluitis“ prägte, war dann einfach nur „dankbar für diese Diskussion und für jeden Rat“, klopfte sich stolz auf die Schulter, weil auch 1997 das Budget von 2,8 Millionen Mark für die freie Musikszene gehalten werden konnte, und forderte eine bessere Nutzung dieser „schmal gewordenen Ressource“. Das Gießkannenprinzip jedenfalls habe ausgedient. Und da mochte ihm weder auf dem Podium noch im Publikum einer widersprechen. Schließlich waren sich alle einig, daß die vielbeschworene Artenvielfalt gleichzeitig auch die „Achillesferse“ (Christian Kneisel) der freien Musikszene darstelle.

Allerdings wollte sich auch keiner der Anwesenden näher dazu äußern, wessen „Erbhöfe“ nun zu beschleifen seien, wen man über den „breiten Humus“ hinweg nun intensiver zu fördern habe und wen nicht. Man rieb sich dann ein wenig an einer Definition von Qualität, malte als Schreckgespenst den „Qualitätsmanager“ an die Wand, der nur Besucherzahlen und Phonstärke des Beifalls mißt, und diskutierte verschwommen „dynamische Fördermodelle“, ein Intendantenmodell und auch eine Professionalisierung der Öffentlichkeitsarbeit („In Berlin gilt es ja schon als Erfolg, wenn drei Opernhäuser gemeinsam ein Plakat entwerfen“).

Und wie immer fiel am Ende der Vorhang nur deswegen, damit auch hier bei aller Einmütigkeit viele Fragen offenbleiben konnten.