Drei Jahre Warten auf Endlager

Unerwarteter Widerstand in Japan: Ein Gouverneur sperrt den Hafen für hochradioaktiven Abfall aus Protest gegen die Atomenergiepolitik der Zentralregierung  ■ Aus Tokio André Kunz

Eine Hafensperre in Japan erwartete die Besatzung der Pacific Swan wohl zuallerletzt. Dabei waren die Leute auf dem umstrittenen Atommüllfrachter Proteste gewohnt. Bereits zu Reisebeginn in der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague demonstrierten UmweltaktivistInnen gegen den gefährlichen Transport von 30 Tonnen hochradioaktivem Atommüll über die Weltmeere. Ein zweites Mal protestierten Umweltschützer am Panamakanal, weil eine derart risikoreiche Fracht erstmals durch den Kanal fahren durfte.

Nun bleibt das Schiff am Bestimmungsort im Norden Japans im kalten Wasser liegen, weil die Zentralregierung in Tokio es bis heute nicht geschafft hat, ein sicheres Endlager für die Tausende von Tonnen hochradioaktiven Abfalls zu finden. Dagegen protestieren der Gouverneur und eine starke Lobby von Atomkraftgegnern in der Provinz Aomori, in dessen Hafen Mutsu-Ogawara die Pacific Swan ihre gefährliche Fracht entladen sollte.

Schon 1995 sperrte Aomori- Gouverneur Morio Kimura einen Atommüllfrachter für einige Tage. Damals versprach die Regierung von Tokio, innerhalb „nützlicher Frist und mit der Zustimmung des Gouverneurs“ eine sichere Endlagerstätte für hochradioaktive Abfälle zu bestimmen. Bevölkerung und Regierung in der 520 Kilometer nördlich von Tokio gelegenen Provinz warten seit drei Jahren vergeblich auf die Einlösung des Versprechens. Noch mehr beunruhigt die Leute, daß das Zwischenlager von Rokkasho, wo die „heiße Fracht“ in einer Felsformation 300 Meter tief im Grund abgekühlt wird, von einer skandalgeschüttelten halbstaatlichen Gesellschaft betrieben wird. Insgesamt sollen dort rund 3.000 radioaktive Glasblöcke mit in Europa aufbereiteten Brennstäben gelagert werden.

Gouverneur Kimura und die Bevölkerung befürchten, daß das Zwischenlager über Nacht in ein Endlager umgewandelt werden könnte, weil in Japan der Widerstand gegen Atomanlagen nach mehreren Unfällen und Vertuschungsmanövern stark gewachsen ist. Für ein Endlager wäre aber Rokkasho denkbar ungeeignet, liegt es doch entlang einer Erdfalte, die nach Ansicht von Geologen erdbebengefährdet ist.

Der Protest aus Aomori ist ein weiteres Signal für die zunehmende Kritik am Plutoniumprogramm der Regierung. Mehr als 30 Milliarden Dollar hat Tokio für die Entwicklung eines eigenen schnellen Brüters ausgegeben, und im gesamten Programm sind rund 10.000 Leute beschäftigt.

Der Protest gegen die Brüter- Technologie sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß Strom aus herkömmlichen Atommeilern mit Uran-Leichtwasserreaktoren in weiten Teilen der Bevölkerung als wichtige Energieform akzeptiert wird. Schließlich produziert Nippon rund ein Drittel seines Stroms in 52 Atommeilern. Vier neue sollen bis zum Jahr 2000 ans Netz gehen.