■ Der öffentliche Dienst vor dem Schlichtungsverfahren
: Innovationsfreie Zone

Nichts Neues aus dem öffentlichen Dienst. Tarifpoker wie gehabt. Nach dem Scheitern der Verhandlungen soll es nun erneut ein Schlichter richten. Ein klassisches Prozentgefeilsche steht auf dem Programm. Ein bitteres Ende, das nach dem desaströsen Auftakt allerdings schon abzusehen war. Hier die Arbeitgeber, die neben berechtigten Forderungen – etwa zur Neuordnung der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst – aus ideologischen Gründen die Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall durchboxen wollen. Dort die Gewerkschaften, die durch ihren Forderungsberg faktisch eine wirksame Beschäftigungssicherung durch Arbeitszeitverkürzung ausgeschlossen haben.

Die Verantwortung dafür liegt nicht beim ÖTV- Vorsitzenden Herbert Mai. Er hat alles versucht, den Boden für eine solidarische Umverteilung von Arbeit und Einkommen zu bereiten – etwa orientiert an dem Modell des Berliner Politologen Peter Grottian. Doch die große Tarifkommission der ÖTV bremste ihren Vorsitzenden im vergangenen Herbst brutal aus. Arbeitszeitverkürzung ja, aber „ohne Eingriff in bestehende Einkommen“, lautet seither die an der Basis gewiß auf Zustimmung stoßende Parole. In den eigenen Reihen für die wenig populäre Politik der solidarischen Arbeitsumverteilung zu werben, fehlte den Funktionären der Mut oder die Einsicht.

Die Folge ist eine Tarifrunde ohne breite gesellschaftliche Unterstützung in einer innovationsfreien Zone. Sie lädt die Arbeitgeber geradezu ein, im gewohnten Trott zu verharren. Ein reiner Einkommenspoker für die, die noch im System Platz finden.

Verlierer sind jene, die arbeitslos vor der Tür stehen, weil das mögliche „Jobwunder“ ausfällt. Gewiß, die Gewerkschaften können durch ihre Tarifpolitik nicht die katastrophalen Fehler der Bonner Wirtschaftspolitik kompensieren. Aber sie könnten das Elend der Arbeitslosigkeit durch eigene Beiträge lindern – gerade im öffentlichen Dienst. Auf diesen Weg zu verzichten, war ein schwerer gewerkschaftspolitischer Fehler, der zudem nicht einmal die Bedingungen für nachhaltige Gehaltserhöhungen verbessert hat. Auch die notwendige Abwehr des Angriffs auf die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall fällt dadurch nicht leichter. Die Gehaltserhöhungsmarge steht ohnehin durch die Lohnentwicklung außerhalb des öffentlichen Dienstes fest. Und dort gab es für Arbeiter ein Plus von 1,4 Prozent und für Angestellte lediglich 1,2 Prozenz mehr Gehalt. Über diese Hürde hilft auch kein Schlichter. Walter Jakobs