Charme des Normalen

■ Mit viel Text und Schwung wagt sich eine neue Frauenzeitschrift heraus. Doch das Überleben von "Weibblick" ist schon jetzt fraglich

Zum Glück geht nicht nur Gerhard Schröder in die Offensive. Heute wagt ein neues, unabhängiges Frauenmagazin den Schritt auf den Markt. Nicht ganz neu freilich. Doch den kleinen, aber feinen Weibblick kannte bislang nur eine erlesene Gruppe von Abonnentinnen. Das soll nun anders werden.

Ein politisches Frauenmagazin mit Ostblick soll der Weibblick bleiben, aber unterhaltsamer und weniger theoretisch sein. Die ganze journalistische Bandbreite soll vertreten sein, sagt Chefredakteurin Anette Maennel: Reportagen, Interviews, und Kolumnen. Und man leistet sich dafür ein zeitgemäßes Kleid: elegant, textbetont und mit seinem graubraunen Titel und der dunkelroten Schmuckfarbe leicht rural kommt die „Zeitschrift aus Frauensicht“ (Untertitel) in ihrem neuen Layout alle zwei Monate zu den Leserinnen.

Eine Zeitschrift mit vielen Fotos und viel Text ist das – das Gegenteil von grell und mit handwerklichem Touch. Voll vom Charme des Normalen. Die Rubriken sind schlicht betitelt: Bildung, Multimedia, Gesundheit, Finanzen. Die Autorinnen – etwa zur Hälfte Ost, zur Hälfte West, schreiben einen sehr persönlichen Stil – mal ist der inspirierend, mal nicht so. Frauenzeitschriften wie Brigitte oder Emma will Maennel damit keine Konkurrenz machen. „Die vernachlässigen die Situation im Osten“, sagt sie, „oder sie richten sich an Frauen bis 28.“ Ihre eigene Klientel sieht sie eher bei den politisch interessierten Frauen ab 30 Jahren.

Ob das reicht? Gerade das Erscheinen der ersten drei Nummern ist gesichert, die finanzielle Zukunft des nahezu anzeigenfreien Magazins steht vollkommen in den Sternen. Auch Annette Maennel selbst zweifelt ein wenig daran, daß es danach die Möglichkeit gibt, weiter zu erscheinen.

Eigentlich ist das Ganze eine Flucht nach vorn. Maennels Arbeitgeber, der ostdeutsche Unabhängige Frauenverband (UFV), steht kurz vor dem endgültigen Aus.

Anstatt langsam einzugehen, setzt Maennel alles auf eine Karte und das gesamte Restkapital, das einerseits aus dem Verband, andererseits aus diversen anderen Projekten kam, auf das neue Magazin. Einstweilen produziert die Chefredakteurin das Magazin mit einer weiteren Redakteurin. Die Zweierredaktion ist ost-west-quotiert, anders die Autorinnen, die mehrheitlich aus dem Osten kommen.

Als Verbandsblatt hatte sich der von Maennel redigierte Weibblick bereits ein hohes Renommee erarbeitet. Zuletzt hatte er außerhalb des Verbands 1.300 AbonnentInnen. Der neue Weibblick braucht, um zu überleben, 5.000 LeserInnen, die bereit sind, die 7 Mark für ein Einzelheft oder die 40 Mark für das Jahresabo zu zahlen, schätzt Annette Maennel vage. Um das zu erreichen, setzt sie weiterhin auf die Leserinnen im Osten. „Während Frauenthemen im Westen nur noch Gähnen hervorrufen, ist das Interesse im Osten in letzter Zeit spürbar gestiegen“, meint sie. Dazu paßt, daß Brandenburgs Sozialministerin Regine Hildebrandt in der ersten Nummer gestehen darf, daß sie Frauenförderung mittlerweile für nötig hält.

Alle Grenzen zwischen Ost und West verschwimmen bei einem anderen Schwerpunktthema auch für den Weibblick: den Bundestagswahlen. Ost- wie West-Autorinnen geben zu Protokoll, daß sie „weder Lust noch Laune, weder akzeptable Inhalte noch Ergebnisse“ erwarten. Und die Weimarer Satirikerin Christiane Kloweit wünscht sich eine Hotline für Intimes aus dem Leben der Politiker, „damit wir mal echt amerikanische Verhältnisse und doch noch einen lustigen Wahlkampf kriegen“. Doch wenn die Wahl stattfindet, könnte der neue Weibblick schon wieder am Ende sein. Karin Gabbert

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