Bausparer im Revoluzzer-Zug

Die Feiern zur gescheiterten 1848er Revolution begannen im blauen Luxuszug. Die Bausparkasse sponsert die Geschichtsklitterung  ■ Aus dem Revolutionszug Klaus-Peter Klingelschmitt

Für den Vorstandsvorsitzenden der Badenia Bausparkassen, Karlheinz Henge, war die Revolution von 1848 der Aufstand potentieller Bausparer. Das Bürgertum sei zu Geld gekommen und habe es sicher anlegen wollen. Der Mann darf das sagen. Er ist der Sponsor des „Zeitzuges 1848“, der gestern von Wiesbaden aus seine Reise durch die Republik antrat. Vor 150 Jahren, am 27. Februar 1848 brach die Februarrevolution in Frankreich aus, und in Mannheim tagte die Volksversammlung der Demokraten und Republikaner.

Der Zeitzug 1848 ist ein rollendes Revolutionsmuseum, konzipiert vom Mannheimer Landesmuseum für Technik und Arbeit. Die Deutsche Bahn AG stellte den blauen Luxuszug „für die gute Sache“ kostenlos zur Verfügung, wie Bahnchef Johannes Ludewig zuerst in Wiesbaden und dann noch einmal in Mainz hervorhob. Und deshalb durfte Ludewig auch ohne Widerspruch vortragen, daß die – 1848 nur auf wenigen Hauptstrecken betriebene – Bahn diese Revolution erst ermöglicht habe. Die Bahn habe die revolutionsbereiten Massen aus den Regionen in die brodelnden Metropolen der 39 souveränen deutschen Staaten befördert.

Tatsächlich waren 1848 mit der Bahn vom reaktionären Bundestag gesetzten Truppen in Marsch gesetzt worden. Im Auftrag der Potentaten transportierte die Bahn die Truppen aus Hessen und Württemberg in den Schwarzwald – um die badischen Aprilrevolution von Hecker und Struve niederzuschlagen. Selbst der Konterrevolution 1849 leisteten Ludewigs Vorgänger mit Truppentransporten den wichtigsten Dienst. Und für die Revolutionäre war schon das Betreten von Bahnhöfen mit Gefahren für Leib und Leben verbunden. Ende März 1848 wurde auf dem Mannheimer Bahnhof, in den der Zeitzug mit den Ministerpräsidenten Hans Eichel und Kurt Beck einlief, der Revolutionär Josef Fickler aus dem Bodenseekreis von Soldaten verhaftet: auf Geheiß des liberalen Kammerabgeordneten Karl Mathy.

Die Spießbürgerwehr in Gestalt der hessischen Polizei hatte auch gestern in Wiesbaden ihren großen Auftritt, noch bevor der Zeitzug losrollte. Es galt, SchülerInnen aufzuhalten, die von der Staatskanzlei zur kurzen Feier auf dem Bahnhof und zur Mitfahrt eingeladen worden waren. Die aber führten zwei offenbar nicht genehmigte Transparente mit sich: „Bildung statt Staffage.“ Oder: „Ich weiß nur, daß ich nix weiß.“ Erst Lisa Abendroth aus der Staatskanzlei, Initiatorin der Veranstaltungen auf hessischem Boden, gelang es nach zehn Minuten intensiver Diskussion, die Posse zu beenden. Die Polizei nahm die Personalien des Lehrers der Unbotmäßigen auf.

Vormärzliche Verhältnisse herrschten ohenhin nicht in Hessen. Die Gruppe „Holzäppelbäumche“ spielte vor den Bahnsteigen das Bürgerlied, das Lieblingslied der konstitutionellen Monarchisten: „Ob wir just Collegia lesen oder aber binden Besen...“ Der Ruf der „Ganzen“, so nannte Gustav Struve die zum revolutionären Kampf entschlossenen Demokraten und Republikaner, war dagegen weder im Zeitzug noch auf den Bahnhöfen zu hören: „Pulver ist schwarz, Blut ist rot, golden flackert die Flamme.“ Und auch der zuvor fast arretierte Schulsprecher hatte sich auf dem Podium dem herrschenden Zeitgeist angepaßt: „Wir wollen keinen Umsturz in der Bildungspolitik“, beteuerte er, „sondern eine demokratische Erneuerung.“ Zur Performance geladene Schauspieler, die sich gewaltige revolutionäre Halstücher umgebunden und Heckerhüte aufgesetzt hatten, durften danach „Volk spielen“ – und „Brot und Arbeit!“ verlangen.

Wem aber gehört die gescheiterte Revolution? Gestern gehörte sie den sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Eichel und Beck und ihrem christdemokratischen Kollegen Erwin Teufel. Der begrüßte seine Kollegen in Mannheim. Hans Eichel bedauerte das Scheitern der 48er Revolution: „Wäre der große Wurf der Demokraten gelungen, wären uns und der Welt zwei Kriege und das ,Dritte Reich‘ erspart geblieben.“ In Karlsruhe wartete Jutta Limbach, die Präsidentin des Bundesverfassungsgerichtes, auf die vermeintlichen Revoluzzer. lle verließen das VIP-Abteil des Revolutionszuges für Programmpunkt neun: Eröffnung der Landesausstellung 1848 im Schloß Karlsruhe mit anschließendem Empfang und „Geschichtsfest“. Man wird sich dort vielleicht berauschen. So wie sich Großherzog Leopold damals „an jedem Abend danach berauschte“. Kurz zuvor hatten an jenem 1. März 1848 mehr als 20.000 Menschen vor dem Schloß die Demokraten und Republikaner um Friedrich Hecker und Adam von Itzstein hochleben lassen. Am Ministerium des Äußern waren Feuer gelegt worden.

In knapp 100 Städten wird der Zeitzug bis Juli 1999 Station machen. Nach Berlin fährt er nicht. Endstation ist Rastatt, der letzten Bastion der Revolution 1849.