Kabila läßt seine Waffenbrüder fallen

■ Die Banyamulenge-Tutsi im Osten des Kongo, die Kabila voriges Jahr zum Sieg über Mobutu verhalfen, sind nun wieder im Krieg - diesmal gegen Kabilas Armee. In die Auseinandersetzungen sind auch Nachbar

Bonn/Brüssel (taz) – Vor einem Jahr halfen sie dem heutigen kongolesischen Präsidenten Laurent Kabila, das Regime von Mobutu Sese Seko zu stürzen – heute sind sie im Krieg gegen Kabilas Armee: Die Banyamulenge-Tutsi im Osten des Kongo, deren Aufstand gegen Mobutu 1996 der Gründung von Kabilas Rebellenallianz AFDL (Allianz Demokratischer Kräfte für die Befreiung des Kongo) zugrunde lag.

Kämpfe zwischen Banyamulenge und AFDL-Truppen aus Kongos Südprovinz Katanga – Kabilas Heimat – haben in den letzten Tagen den Osten des Kongo erschüttert. Ende letzter Woche beschlagnahmte die Armee bei einem Großeinsatz in Bukavu an der Grenze zu Ruanda größere Mengen von Waffen in Privathäusern von Banyamulenge – unter anderem beim Fahrer des Vizegouverneurs der Provinz, Sebastien Serukiza, höchstrangiger Banyamulenge-Politiker der Region. Auslöser dafür war die Entdeckung von Waffenlieferungen für die Banyamulenge aus Burundi oder Tansania über den Tanganjika-See. Zugleich sollten die Banyamulenge- Soldaten aus dem Osten versetzt werden. Die Soldaten lehnen das ab, unter anderem, weil in der Region immer wieder gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Banyamulenge und Milizen anderer Volksgruppen stattfinden.

300 Banyamulenge-Soldaten plünderten am Montag Waffendepots in Bukavu und zogen nach Süden Richtung Uvira an der Grenze zu Burundi, wo über das Wochenende heftige Kämpfe zwischen Banyamulenge-Soldaten und Katangern der Regierungsarmee ausgebrochen waren. Auch Soldaten aus Burundi griffen auf seiten der Banyamulenge in die Kämpfe ein. Gleichzeitig forderten Auseinandersetzungen zwischen Banyamulenge-Truppen und Katanga-Soldaten am Flughafen von Bukavu mehrere Tote. Am Mittwoch abend sagte ein hochrangiger kongolesischer Regierungsvertreter der taz: „Es ist wieder ruhig. Unsere Militärs haben die Lage voll unter Kontrolle.“

Spannungen zwischen den von Ruanda unterstützten Banyamulenge und den von Angola unterstützten Katangern gab es innerhalb der AFDL schon während des Krieges gegen Mobutu. Banyamulenge-Politiker äußerten schon damals die Befürchtung, sie könnten nach Ende des Krieges wieder marginalisiert werden, obwohl sie militärisch eine entscheidende Rolle gespielt hatten. Viele katangische Politiker teilen demgegenüber die Meinung von Kabila-Gegnern im Kongo, die Tutsi seien in der AFDL zu mächtig. In Bukavu und Uvira sorgte nach Kriegsende für Unmut, daß die siegreichen Banyamulenge als Kriegsbeute Häuser und Verwaltungsposten für sich beanspruchten. Ungeklärt ist bis heute die Frage, ob die Tutsi im Osten des Kongo unter Kabila wieder als Staatsbürger anerkannt werden, nachdem unter Mobutu einige von ihnen zu Ausländern erklärt worden waren.

Spannungen, die Kongos Nachbarländer betreffen, hat es auch in der nordöstlichen Stadt Butembo nahe der Grenze zu Uganda gegeben. Eine ugandische Armee-Einheit, in der sich auch 180 Soldaten aus Eritrea befanden, drang nach Berichten aus der Region auf der Suche nach Rückzugsgebieten ugandischer Rebellen nach Butembo ein und durchsuchte Häuser. Am Dienstag früh rückten kongolesische Einheiten aus Katanga in die Stadt ein, um die Ugander und Eritreer wieder hinauszuwerfen. Es soll 50 Tote gegeben haben.

Sollten derartige Auseinandersetzungen sich wiederholen, droht nach Ansicht von Beobachtern eine regionale Explosion: Die Armeen Ugandas, Ruandas oder Burundis könnten vermehrt eingreifen, und die aus dem Kongo gegen die Regierungen dieser Länder kämpfenden Hutu-Rebellen könnten sich mit Kabilas Katanga- Soldaten gegen die „Invasoren“ verbünden. Oliver Meisenberg

François Misser