Viereckige Sprechblasen

■ Jetzt weiß man endlich, was mit schlechten Drehbüchern passiert, die kein Mensch je verfilmen würde: Sie werden nach Italien geschickt und dort zu Romanen verfotografiert

Wenn ich je gemerkt habe, daß ich viel zu schlecht aussehe, um Fotomodell zu werden, dann, als ich Angela traf. Angela kostet 3 Mark 80 und liegt im Zeitschriftenregal bei Neukauf. Und in Angela sind auf 66 Seiten nur schöne Leute, die Alessandra Cellini und Michele Trentini heißen und schon allein deshalb besser aussehen als jemand, der einen weniger klangvollen Nachnamen hat.

Die letzte Folge von Angela – Bildergeschichten der Liebe hat den vielsagenden Titel „Alles läuft bestens“ und ist so eine Art Bravo- Foto-Love-Story für Leute, die sich ihres Alters wegen nicht mehr trauen, die Bravo zu kaufen. Es geht darin in der Hauptsache um eine Horde Mittzwanziger, die auf rund 500 Fotos so tun, als würden sie gerne fotografiert werden. Dabei sagen sie in viereckigen Sprechblasen gerne Dinge, die so spannend sind, wie Nudeln beim Kochen zuzusehen. „Ich bin nur eifersüchtig, weil ich Angst habe, dich zu verlieren“ zum Beispiel. Oder wahlweise auch: „Lore hat eine Stunde lang geweint. Ist es wahr, was sie mir erzählt hat?“

Wenn man einmal eine Ausgabe von Angela – Bildergeschichten der Liebe gelesen hat, weiß man endlich, was mit den Drehbüchern passiert, die zu schlecht sind, um bei „Geliebte Schwestern“ verfilmt zu werden: Sie werden nach Italien geschickt und unter der „Regie“ (da steht tatsächlich „Regie“!) von einem Herrn Claudio Ferrari verfotografiert. Das ist sehr schön gemacht. Vor allem auf der Seite, wo steht: „Diana bringt es nicht fertig, über ihre Ängste zu reden, und erfindet eine Lüge.“ Da lügt Diana dann nämlich: „Ich habe keine Beschwerden mehr. Der Arzt ist überflüssig.“ Wahnsinn!! So eine tolle Lüge! Und wie Diana (Alessandra Cellini) das sagt! Mit geschlossenem Mund! Überhaupt ist es faszinierend, wie die Akteure da immer mit geschlossenem Mund diese prima viereckigen Sprechblasen rausblubbern! So gutaussehend! So romantisch vernebelt! So strichmundig! Und das alles für 3 Mark 80!

Wahnsinn! Und es gibt ja nicht nur Angela. Nein! Es gibt auch noch Michaela, Daniela und Pamela. Und in allen spielen Alessandra Cellini und Enrico Mutti mit. Und ein Michele Trentini wie Donnerhall! Dreitagebärtig wie immer gibt er in der neuen Daniela (Titel: „Adieu mein kleines Mädchen“) den „verständnisvollen Vater“ von Alessandra Cellini. (In der letzten Angela war er noch ihr Ehegatte...) Aber dann verliebt sich Alessandra („sie ist 19 und ein etwas verrückter Teenager“) in einen älteren Mann... Oh Gott! Da ist die Spannung in der neuen Daniela bestimmt gar nicht mehr auszuhalten! Wobei mich überhaupt mal interessieren würde, warum in Daniela nie mal eine Daniela auftritt. Und in Angela nie eine Angela. Immer nur Michele Trentini mit Dreitagebart. Und immer hat er was Blaues an. Das muß so sein, weil das seine tollen blauen Augen so hervorhebt. Und Alessandra Cellini hat immer Tops an, weil das ihre Figur hervorhebt.

Ich habe nie Tops an. Und blaue Augen hab' ich auch nie. Und für Angela – Bildergeschichten der Liebe werde ich deshalb auch nie fotografiert. Das Leben ist ungerecht. Und die Auflage von Angela, Daniela und Co. ist immer am höchsten, wenn Michele Trentini darin mitspielt. Mit Strichmund. Wahrscheinlich hat er keine Zähne mehr und darf deswegen den Mund nicht öffnen, wenn er die Sprechblasen spricht. Der Depp.

Was? Neidisch? Ich? Quatsch! Glauben Sie wirklich, ich wollte monatlich in einer Zeitschrift abgebildet sein, die man Frauen mittleren Alters mit ins Krankenhaus bringt? Pff! Da bleib' ich doch lieber braunäugig und bartlos! Frank M. Ziegler