Waschzwang

■ Seltsame Unterwäsche und waidwunder Rehblick: „Fang Lang“ von Lin Cheng-sheng

Komische Unterwäsche tragen sie in diesem Film. Ju-feng, eine schmale junge Frau, die ein Schneideratelier betreibt, sitzt einmal in einer Art Playtexbustier vor dem Spiegel. Erbarmungslos wird geteilt und gestützt, was eh kaum vorhanden ist. Ein andermal trägt sie so Radlerunterhosen, in die um den Hintern irgendwelche stützenden Verstrebungen eingebaut sind. Man sieht Ju-feng nur selten beim Nähen. Meistens wartet sie auf ihren kleinen Bruder Chuen-sheng, den sie als Elfjährigen verführt hat, und der jetzt eigentlich vom Militärdienst heimkommen sollte.

Kaum ist Chuen-sheng zurück, streitet er sich mit seinem Vater: Vorn im Bild, mit dem Gesicht zum Publikum, sitzt der Vater, zählt Geld und schimpft seinen Sohn einen Taugenichts. Im Hintergrund bewegt sich der Sohn, packt sein Saxophon aus, antwortet. Alles geschieht im selben Zimmer, und doch hat man den Eindruck, an zwei verschiedenen Orten zu sein: Der erste Wettbewerbsfilm, in dem ein Regisseur etwas mit Raum anfangen kann.

Chuen-sheng (Lee Kang-sheng) klaut seinem Vater Geld und verschwindet wieder. Während er sich mit diversen Prostituierten vergnügt, sitzt seine unglücklich verheiratete Schwester zu Hause und wartet. Hauptdarsteller Lee Kang- sheng ist schüchtern, melancholisch und sehr süß. Der verhinderte Saxophonspieler läßt sich treiben. Wichtig ist ihm nur das Waschen. Immer wieder putzt er sich. Mit Regenwasser und einem Zeigefinger putzt er Zähne und Zunge. Oder er kämmt sorgfältig die Augenbrauen, und irgendwann steht er sogar in strömendem Regen splitternackt auf einem Dach und wäscht sich mit seiner Unterhose.

Als das geklaute Geld verbraucht ist, schleicht sich Chuen- sheng zurück nach Hause. Die Schwester maßregelt ihn, der Vater schimpft – das zieht sich alles etwas langatmig hin. Vor allem, weil Chuen-sheng nur die Unterlippe vorstülpen und diesen waidwunden Rehblick aufsetzen muß: „Bitte, gib mir doch noch Geld“ – und alles geht wieder von vorn los. Nur das mit dem Trauma nimmt man ihm nicht so recht ab. Ob es mit der Unterwäsche zu tun hat? Anja Seeliger

Wettbewerb: heute, 9.30 Uhr Royal Palast; 18.30 Uhr, Urania; 22.30 Uhr International