Bloß nicht räuspern!

■ Was will eine gute Sexszene beim Zuschauer auslösen? Eine Antwort läßt sich zum Beispiel in der Reihe „Schauplatz Korea“ finden

Ich habe nie verstanden, warum seit Jahren erbittert über Gewalt im Kino gestritten wird, wo die viel interessantere Frage doch lautet: Wie dreht man eine Sexszene? Wann ist sie gut? Und was soll sie beim Zuschauer auslösen? Der Episodenfilm „Motel Cactus“ Park Ki-Yongs gibt da ein paar ausgezeichnete Antworten.

Vier Paare quartieren sich nacheinander in Zimmer 407 eines Liebeshotels ein. Zuerst eine junge Frau und ihr verheirateter Liebhaber. Auf dem Weg ins Hotel ist die Frau in eine Demonstration geraten und versucht jetzt, das Tränengas aus den Augen zu spülen. In der einen Sekunde beklagt sie sich noch, in der nächsten rollen die zwei schon auf dem Badezimmerfußboden herum. Lange nicht gesehen, was? Der Zuschauer schluckt, die Kamera rast: umkreist die beiden, versteckt sich hinter der Milchglasscheibe, gegen die sich die Körper pressen, linst dann verstohlen in den Spiegel, ob es da was zu sehen gibt. Je mehr die zwei in Fahrt geraten, desto ausgefallenere Blickwinkel sucht die Kamera – als versuche sie vor allem das eigene Begehren, das diese Szene auslöst, in den Griff zu kriegen. Der Zuschauer sitzt derweil zwischen lauter Fremden starr in seinem Sessel: Jetzt bloß nicht räuspern.

Ein glatt erzählter, konventioneller Film ist dagegen „Der Kontakt“ von Jang Yoon-Huyn, der im vergangenen Jahr der kommerziell erfolgreichste Film in Korea war. Ein Radiojournalist trauert seiner alten Liebe nach, eine junge Frau, die bei einem Homeshopping-Kanal arbeitet, ist in den Freund ihrer Freundin verliebt. Die zwei Unglückswürmer lernen sich im Internet kennen. Am Ende kommt es zu einem folgenlosen persönlichen Kontakt. Zuvor muß sie jedoch klaglos tagelang vor einem Kino warten, während er sie aus einem Café heraus beobachtet. Das alles ist eigentlich nur deshalb interessant, weil der Zuschauer ein bißchen auf die Atmosphäre in Korea eingestimmt wird, in der 1991 erstmals sogenannte „comfort women“ öffentlich über ihr Schicksal berichteten.

„Comfort women“ nannten die japanischen Besatzer während des Zweiten Weltkriegs Frauen, die sie verschleppten und als Zwangsprostituierte mißbrauchten. Byun Young-Joo hat in ihrem Dokumentarfilm „Leise Stimmen“ sechs dieser Frauen porträtiert, die in einem Haus zusammenleben. Die japanische Regierung hat ihnen nie eine Entschädigung gezahlt, und auch die koreanische Regierung hat sich nie für sie eingesetzt, weil – wie Byun Young-Joo nach der Vorführung des Films meinte – ihr dieses Thema peinlich ist. Über solche Fisimatenten sind die alten Frauen hinaus. Sie sprechen mit großem Freimut über die Japaner, die Diskriminierung zu Hause und ihre Forderungen.

Es ist ein völlig unsentimentaler Film: Erst erzählt eine Frau, wie sie mit 14 vergewaltigt wurde. Zwei Minuten später sieht man sie mit einer Bierflasche in der einen und Zigarette in der anderen Hand Witze reißen. Es gibt viel zu lachen in diesem Film. Jetzt, wo sie zu alt sind, sich darüber zu sorgen, welchen Eindruck sie machen, wirken diese Frauen sehr frei. Sie werden so arm sterben wie sie gelebt haben. Aber ihre Meinung über das Scheißleben, das man ihnen zugemutet hat, sagen sie der Nachwelt sehr deutlich. Anja Seeliger