Leipziger Messe mit Millionenverlusten

■ Bericht attestiert unfähige Mitarbeiter und falsche Kalkulationen

Leipzig (taz) – Keine zwei Jahre ist es her, als das neue Messegelände vor den Toren Leipzigs eröffnet wurde. Ein „Leuchtturm für den Aufschwung Ost“, schwärmte Kanzler Kohl damals. Wohl eher ein Irrlicht, das die Stadtkasse in unruhige Gewässer lotst, spottet man heute in Leipzig. „Die Messe verschwendet Steuergelder“, sagt Jochen Läßig, Stadtrat von Bündnis 90/Die Grünen. Mit vier Kollegen aus den anderen Fraktionen hat er ein halbes Jahr lang die Messegeschäfte überprüft. „Kernproblem ist... die geringe Ertragskraft des Messegeschäfts im Verhältnis zu den getätigten Aufwendungen“, heißt es in dem Bericht des Akteneinsichtsausschusses. Nur zwei von achtzehn Messeveranstaltungen werden als „ertragreich“ eingestuft, der Rest sei ein Verlustgeschäft.

Im Leipziger Rathaus reagierte man hektisch. Oberbürgermeister Hinrich Lehmann-Grube (SPD) präsentierte am Donnerstag flugs neue Zahlen. Demnach ist der Zuschußbedarf aus den öffentlichen Kassen bis 1999 auf 133 Millionen gesunken. Im Juni 1997 war das Messedefizit auf 342 Millionen Mark beziffert worden, jetzt beträgt es angeblich 262 Millionen. Einen Teil ihres Defizits soll die Messe durch Kredite abdecken. Der Umsatz soll steigen. Dennoch mutet der geschrumpfte Finanzbedarf seltsam an. Noch vor einem Monat gingen Lehmann-Grube und der Verwaltungsausschuß von einem Defizit von 310,4 Milionen Mark aus.

Öffentlich wurde die Krise der Leipziger Messe im Juni des vergangenen Jahres. Bis 1999 brauche die Messe zusätzliche 340 Millionen Mark. Zahlen sollen die Gesellschafter: der Freistaat Sachsen und die Stadt Leipzig. Oberbürgermeister Lehmann-Grube zeigte sich zwar „verärgert“, schusterte jedoch rasch ein Finanzierungskonzept für das Riesendefizit.

Zuvor war der Verkauf von alten Messehäusern in der Innenstadt gescheitert: 150 Millionen Mark Einnahmen fehlten, die für die Finanzierung des Neubaus schon ausgegeben waren. Ein geflopptes Modezentrum und eine unrentable Tochter für Auslandsmessen schlugen mit 60 Millionen zu Buche. Die eigentliche Krise ist jedoch struktueller Natur: Jedes Jahr verliert die Leipziger Messe 30 bis 40 Millionen Mark im Ausstellungsalltag. Die geplanten Umsätze hat sie nicht erreicht. Die Kosten liegen weit über den Vorgaben. 1996 wurden zum Beispiel 58,9 Millionen Mark für „sonstige Aufwendungen“ ausgegeben, eingeplant waren nur 31,6 Millionen.

Der bislang unveröffentlichte Bericht der Stadträte setzt die Geschäftsleitung der Messe unter Druck. Eine Kündigung der leitenden Manager würde jedoch Abfindungen in Millionenhöhe kosten. „Der Schaden, den die anrichten, ist höher als jede Abfindung“, sagt Stadtrat Läßig. Ein Personalwechsel wäre auch beim mittleren Management nötig. Der Bericht zitiert einen Messegeschäftsführer: „Nur ein Drittel der Projektleiter wird den Anforderungen ihrer Position voll gerecht.“ Robin Alexander