Präsident Suhartos Kopfgeburten

Die Partei der „Söhne und Töchter des Präsidenten“ hat Suharto eingeredet, die Rupiah an den Dollar zu koppeln. Derweil werden chinesische Händler gejagt  ■ Aus Bangkok Jutta Lietsch

Tausende Menschen in Indonesien sind auch am Wochenende wieder auf die Straße gegangen, um gegen die Preiserhöhungen zu protestieren. Lebensmittelgeschäfte, Kirchen und Autos brannten. Soldaten erschossen auf der Insel Lombok zwei Menschen, bereits am Freitag waren bei Unruhen in mehreren Städten Westjavas drei Menschen ums Leben gekommen. Hunderte wurden verhaftet. Die Behörden haben bis zum 10. März, wenn Präsident Suharto erneut zum Staatschef gekürt wird, alle öffentlichen Kundgebungen verboten. Polizei und Militär sind in Alarmbereitschaft, da in den nächsten Wochen weitere Unruhen zu erwartet werden.

Denn die Preise für Reis, Zucker, Speiseöl und andere Grundnahrungsmittel, die sich bereits zum Teil verdreifacht haben, drohen noch höher zu steigen. Währenddessen gehen immer mehr Fabriken bankrott und die indonesische Rupiah verliert weiter an Wert. Wer hoffen wollte, daß der 76jährige Präsident Suharto die Wirtschaftskrise mit Hilfe des Internationalen Währungsfonds (IWF) bald in den Griff bekommen würde, sieht sich getäuscht.

Statt dessen tobt derzeit in Jakarta ein heftiger Streit zwischen den IWF-Bankern und der Regierung über die Frage, wie der dramatische Verfall der Rupiah aufgehalten werden kann. Gegen den heftigen Widerstand des IWF will Präsident Suharto einen festen Wechselkurs der Rupiah zum Dollar einführen. Am Wochenende kam es zum Eklat: Die Washington Post veröffentlichte einen privaten Brief von IWF-Chef Michel Camdessus an Suharto: Darin droht er, die IWF-Kredite über 43 Milliarden Dollar zu stoppen, wenn die Regierung an ihrem Vorhaben festhält.

Was Camdessus und viele ausländische Geschäftsleute so ärgert, ist das geplante sogenannte „Currency Board System“. Dabei soll die Rupiah auf einen Wechselkurs von etwa 5.500 festgelegt werden – derzeit schießt sie zwischen 7.000 bis 10.000 hin und her, einmal erreichte sie sogar einen Tiefstand von 17.000. Verfechter des Systems ist der amerikanische Wirtschaftsprofessor Steve Hanke, der kürzlich zum Finanzberater von Präsident Suharto ernannt wurde. Er ist sicher, daß Indonesiens Devisenreserven von 19 Milliarden Dollar ausreichen, um den Wechselkurs zu stützen.

Kritiker des Plans bezweifeln das. Sie fürchten, daß Spekulanten die Zentralbank schnell dazu zwingen würden, die Rupiah durch Stützungskäufe zu verteidigen. Folge: Die kostbaren Dollarreserven schwänden dahin, Bankzinsen stiegen rapide und trieben damit noch mehr indonesische Unternehmen in den Bankrott. Zu den Gegnern des Planes gehören neben dem IWF vor allem die US- Regierung – Präsident Clinton telefonierte am Freitag eine halbe Stunde mit Suharto – und die wichtigsten Industriestaaten. Verärgert sind die IWF-Banker allerdings nicht nur über den Vorschlag selbst, sondern auch über die Art und Weise, wie er zustande kam: Hinter ihrem Rücken hatte Präsident Suharto den Professor einfliegen lassen, um sich seine Theorien vortragen zu lassen.

Der Konflikt um den festen Wechselkurs ist ein schönes Beispiel dafür, wie unberechenbar in Jakarta Politik gemacht wird. Nicht nur die IWF-Banker, sondern auch viele Fachleute in der Zentralbank und im Finanzministerium erfuhren erst aus den Zeitungen von der Entscheidung des Präsidenten. Nach 32jähriger Herrschaft hat Suharto es sich abgewöhnt, seine Behörden ernst zu nehmen. „Er hört nur noch auf die PPP-Partei“, heißt es in Jakarta. PPP steht für „Putra Putri Presiden“ – Söhne und Töchter des Präsidenten.

So war es die geschäftstüchtige Suharto-Tochter Tutut, milliardenschwere Chefin zahlreicher Firmen, die ihren Vater überredete, Professor Hanke von der renommierten Johns-Hopkins-Universität einzuladen. Für Suharto, der die Reformrezepte und die Berater des IWF von Anfang an nur widerwillig akzeptiert hat, ist Hankes Vorschlag deshalb besonders verlockend, weil er schnelle Wirkung verspricht. In drei Wochen, versprach Hanke, werde er die Rupiah stabilisieren. In Hongkong, Argentinien, Bulgarien und Estland funktioniere sein System schließlich auch wunderbar.

Wenn er recht behielte, wäre das für das mit knapp 140 Milliarden Dollar verschuldete Land ein Segen. Bei einem Kurs von 5.500 Rupiah pro Dollar könnten wieder mehr Unternehmen ihre Schulden bezahlen und nötige Waren importieren. Viele Indonesier, die zunächst froh über die Ankunft des IWF waren, sind mutlos geworden: Nichts hat sich verbessert, seitdem Suharto vor einem Monat versprach, die strengen IWF-Rezepte zur Wirtschaftsreform anzuwenden. Immer noch fliehen die Investoren, die Preise steigen, die gewaltsamen Unruhen im Land nehmen zu. In dieser Situation blühen Verschwörungstheorien. Amerika und der Westen trieben das Land – mit Hilfe der kleinen chinesischen Minderheit – absichtlich ins Elend, um die indonesischen Firmen und Rohstoffe billiger aufkaufen zu können.

Bislang wendet sich der Zorn der Bevölkerung vor allem gegen die Chinesen. Sie machen nur rund drei Prozent der Bevölkerung aus, besitzen aber über 60 Prozent des Vermögens. In verschiedenen Wellen sind die Chinesen in den vergangenen Jahrhunderten nach Indonesien gekommen. Ihre Geschäfte, Wohnhäuser und Kirchen sind es, die in diesen Tagen in Flammen aufgehen. Gegen sie predigen die Mullahs in den Moscheen. Von ihnen fordern hohe Militärs öffentlich, sie sollten ihren Reichtum „den Indonesiern zurückgeben“. Präsident Suharto selbst sprach von einer Verschwörung. Aber der IWF bietet noch einen Ausweg. Wie es sich für ein gutes Ultimatum gehört, gibt es auch einen Weg, das Gesicht zu wahren: Zu einem späteren Zeitpunkt – wenn das korrupte Bankensystem reformiert sei – könne man über eine Fixierung der Rupiah nachdenken.