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■ ExpertInnen wollen mit „virtuellem Bürgeramt“in die Informationsgesellschaft durchstarten / Datenschützer skeptisch

Der alte Bismarck würde sich im Grabe umdrehen. Denn seit seiner Regentschaft gilt für das deutsche Berufsbeamtentum das eherne Prinzip der schriftlichen Aktenführung. Unter dem Stichwort „Online Verwaltung 2005“haben jetzt 110 ExpertInnen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Öffentlicher Verwaltung in Bremen diskutiert, ob es nicht auch anders gehen könnte. Die Idee: Bremens Verwaltung soll sich aufgeschlossener gegenüber neuen Kommunikationsformen wie dem Internet zeigen. Nur so könne man sich auf veränderte Bedürfnisse der KundInnen – wie Rund-um-die-Uhr-Betreuung – einstellen, hieß es.

Im Mittelpunkt des zweitägigen Workshops mit TeilnehmerInnen des Computerriesen IBM, der Kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt) und der bremischen Verwaltung stand dabei die Diskussion um das sogenannte „virtuelle Bürgeramt“. Ein erstes Konzept für das Jahr 2005 sieht vor, daß BürgerInnen ihr Ortsamt nicht mehr unbedingt aufsuchen müssen, um sich um ihre Belange zu kümmern. Via Internet sollen einzelne Dienstleistungen abrufbar sein. So könnten über die Computerleitung Autos angemeldet, beim Standesamt das Aufgebot bestellt, der Hund angemeldet oder – besonders für Architekten interessant – eine Baugenehmigung erteilt werden.

Zusätzlich wollen die ExpertInnen multifunktionale Serviceläden einrichten. Diese sollen sich in kommunaler Trägerschaft befinden und es auch Nicht-BesitzerInnen von PCs ermöglichen, ins Ortsamt zu surfen. Weiterhin will man Informationsterminals an gut frequentierten Orten in der Stadt plazieren, vornehmlich bei Banken und Sparkassen.

Johannes Beermann (CDU), Staatsrat der Senatskommission für das Personalwesen, betont die ergänzende Funktion eines virtuellen Bürgeramtes. Jene seien ein Schritt in Richtung „Grundrecht auf informelle Grundversorgung“. Daß ein derartiges Projekt auf Widerstände stoße, sei klar: „Das macht einen deutschen Beamten nervös, wenn er nicht an Papier ran kann“, witzelte Beermann.

Stefan Walz, Landesbeauftragter für den Datenschutz hat handfestere Probleme mit dem interaktiven Angebot der Verwaltung. Für ihn muß in erster Line die Netz- und damit auch die Datensicherheit gewährleistet sein. „Das Internet ist nicht sicher“, so Walz. Außerdem müsse eine digitale Signatur eingeführt werden, um sicherzustellen, daß die richtige Person die Dokumente versendet hat.

Für Peter Blönning „sind der Phantasie bei der Umsetzung des virtuellen Bürgeramtes keine Grenzen gesetzt“. Das Mitglied der Geschäftsleitung der kommunalen Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung sieht in dem Konzept auch einen Vorteil: So wolle der Steuerzahler für sein Geld mehr Leistung. Das könne ein effizientes und effektives Bürgeramt garantieren, so Blönning.

Ob aus dem Projekt mehr wird als ein bloßes Planspiel, bleibt abzuwarten. Noch bewegen sich die Überlegungen in Bremen auf rein theoretischer Ebene. Als nächstes wollen die ExpertInnen jedoch daran gehen, die Ergebnisse des Workshops in eine Senatsvorlage umzuwandeln. Bekommt das Vorhaben die politische Unterstützung, sollen schon bald konkrete Vorhaben in Angriff genommen werden. Welche das genau sein werden, darüber ist man sich noch nicht im klaren.

Noch ist auch nicht sicher, ob und wie die bestehenden Ortsämter tatsächlich zu Bürgerämtern umstrukturiert werden, in denen auch Dienstleistungen der Kfz-Zulassungsstellen oder der Sozial- und Wohnungsämter angeboten werden. Zur Zeit läuft in fünf Ortsämtern ein entsprechender Modellversuch. Offen ist auch, wie die Innenstadt versorgt werden soll. Innenstadtnahe Ortsämter befürchten, daß sie dichtgemacht werden, falls ein zentrales Bürgeramt in der City eingerichtet wird. Stephan Hespos