„Nicht nur ökologisch, sondern innovativ“

■ Wer denkt schon beim Richtfest an den Abriß? Ein Gespräch mit dem Geschäftsführer des Öko-Zentrums NRW, Manfred Rauschen, über die Perspektiven ökologischen Bauens

taz: Ist ein Neubau an sich nicht schon unökologisch?

Manfred Rauschen: Ich möchte hier dem Bauminister von Nordrhein-Westfalen, Michael Vesper, zustimmen: Ökologisch Bauen heißt „nicht bauen“. Aber: In der Vergangenheit wurde hauptsächlich der Bau von neuen Häusern gefördert und bestehende Gebäude, auch in Gewerbe und Industrie, standen weniger im Blickpunkt. Es gibt hier aber auch offiziell eine Trendwende. Die Devise heißt nun eher „Umbau vor Neubau“. Es wird zukünftig verstärkt darum gehen, den Flächenverbrauch zu reduzieren und Altbauten zu sanieren.

Was charakterisiert eigentlich ein „Ökohaus“? Sind es baubiologische Gesichtspunkte, der Niedrigenergiestandard oder der geringe Flächenverbrauch?

Im Grunde gehört all das zusammen. Man sollte aber nicht in einen „Öko-Stalinismus“ verfallen. Wenn jemand einen Gewerbebau errichten will und ein Faible für Edelstahl und Glas hat, können Sie ihm nicht sagen: „Du mußt aber mit Holz und Lehm bauen.“ Für mich ist es ein Erfolg, wenn für ein solches Gebäude eine vernünftige energetische Versorgung und ein Entsorgungskonzept erarbeitet werden. Sie müssen die Bauherren und auch das gesamte Gewerbe dort abholen, wo sie stehen. Mit Botschaftermentalität und erhobenem Zeigefinger kommen Sie nicht weiter.

Was würden Sie Bauherren raten?

Information ist das A und O, da die Beweispflicht sozusagen beim Verbraucher liegt. Noch immer gibt es in den Bauberufen zu wenige Aktive und zu viele Bremser, die nur das umsetzen, was der Gesetzgeber oder Kunde ihnen abverlangt. Anders gesagt: Bauwillige bekommen nur „so viel ökologisches Bauen“, wie sie einfordern, und verlangen kann man eben nur das, was man kennt.

Wie kommt man denn an zuverlässige Informationen?

Neben dem Öko-Zentrum NRW gibt es bereits eine Vielzahl an Kontaktstellen, beispielsweise bei den Verbraucherzentralen. Schwer ist es allerdings, die Spreu vom Weizen zu trennen. Hinter vielen sogenannten Informationen stecken wirtschaftliche oder lobbyistische Interessen, ohne daß der Laie dies auf den ersten Blick erkennt. In Nordrhein-Westfalen ist die Landesregierung dabei, die neutralen Einrichtungen in einer „AG Ökologische Bauberatung“ zu vernetzen.

Also die Nachfrage anschieben, um den Markt zu erweitern?

Genau. Ökologisches Bauen ist eben ein erklärungsbedürftiges Produkt und kein Schokoriegel, der einfach schmeckt oder eben nicht. Wer denkt beim Bauen schon an die Energiekosten in 20 Jahren oder gar an so etwas Abstraktes wie Klimaschutz? Und wer macht sich beim Richtfest Gedanken über den Abriß, obwohl heute schon 54 Millionen Tonnen Bauschutt jährlich auf die Deponien wandern und die Preise explodieren?

Wie läßt sich der Anteil von Öko-Häusern denn nennenswert erhöhen?

Die Front beim ökologischen Bauen verläuft bei den Kommunen, denn sie sind die ersten Ansprechpartner bei Bau- und Umbauvorhaben. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel gibt es rund 430 Kreise und Kommunen, aber nur etwa 80 Genehmigungsbehörden. Das heißt: Gerade dort, wo wegen preiswerter Grundstücke am meisten gebaut wird, nämlich im ländlichen Raum, wird nicht vor Ort über ökologisches Bauen entschieden. Ob und inwieweit der Bauherr Informationen bekommt, hängt vom persönlichen Engagement einzelner ab. Diese Situation muß durch feste Strukturen und Regelungen ersetzt werden. Und auch qualitativ hängt einiges von der Mitwirkung der Kommunen ab. Versagt die Stadtplanung, ist die Siedlung also nicht zur Sonne hin ausgerichtet oder fehlt die Anbindung an die öffentlichen Verkehrsmittel, sind viele Möglichkeiten schon vor dem ersten Spatenstich verspielt.

Die Nachfrage regelt bekanntlich den Preis. Ist ökologisch Bauen derzeit nur etwas für Leute mit Geld?

Zum einen sind die Preise für viele Elemente des ökologischen Bauens, zum Beispiel für Solaranlagen, bereits gesunken. Sie können aber auch durch konsequentes Vergleichen von Angeboten und Verhandeln viel Geld sparen. Es gibt im verdichteten ökologischen Siedlungsbau zum Teil Hausangebote von 350.000 Mark inklusive Grundstück. Außerdem sind auch die Folgekosten zum Beispiel für das Heizen in Niedrigenergie- Häusern wesentlich geringer. Das Öko-Zentrum Nordrhein-Westfalen bereitet zur Zeit selbst ein Projekt vor, bei dem zusammen mit verschiedenen Firmen ein neuer Typ von Fertighaus entwickelt wird. Das Ziel ist es, einen Quadratmeterpreis von weit unter 2.000 Mark zu erreichen.

Nach ökologischen Kriterien?

Sicher nach ökologischen Kriterien. Ich bevorzuge allerdings den Begriff „innovativ“, weil er nicht so stark ideologisch belegt ist und auch mehr Aspekte umfaßt. Die Holztafelbauhäuser unseres Siedlungsprojektes werden auch in der Haustechnik mit einem preiswerten System ausgestattet sein. Außerdem – und das meine ich mit innovativ – zeigt ein automatisches Informationssystem den Bewohnern die Differenz zwischen dem tatsächlichen Energieverbrauch und dem Sollwert an. Hier werden auch Tips gegeben, wie der Verbrauch gesenkt werden kann. Interview: Sibylle Heusel