Elternschreck und Jugendfreuden

■ Das Hamburger Ceraton Label ist spezialisiert auf die Restaurierung historischer Aufnahmen

Für das deutsche Bürgertum der 30er Jahre waren sie eine Beleidigung von Auge und Ohr, für die Nazis „Zersetzung des gesunden Volksempfindens“: Die Lecuona Cuban Boys, heißeste Rumbaformation der damaligen Zeit, erregten mit revolutionären Bühnen-shows und exotischen Rhythmusinstrumenten wie Congas, Maracas, Tamburin und Bongos den Mißmut der Eltern, doch ekstatische Verzückung der Swing-Jugend.

Einer dieser Jugendlichen war Günter Discher. 1939 begann er, sich eine Schallplattensammlung mit Swingtiteln aufzubauen, was wegen der Repressalien der Nazis nur über Schwarzhandel möglich war. 1942 wurde der damals 17jährige von der Gestapo verhaftet und wegen seiner Zugehörigkeit zur Hamburger Swingjugend ins Konzentrationslager Moringen verfrachtet.

Heute engagiert sich der in seiner Heimatstadt Hamburg lebende Swing-Liebhaber für die Vermittlung des Lebensgefühls und die politische Aufklärungsarbeit über jene Zeit. Dazu gehört die Mitwirkung bei der Vorbereitung des Films Swing Kids (1992) und die Zusammenarbeit mit dem Hamburger Label Ceraton, das mit der Edition Günter Discher eine Reihe von CDs produziert, die mit Künstlern wie Will Meisel, den Comedian Harmonists, Juan Llossas, Hans Albers, Heinz Rühmann und Lale Andersen einen Überblick über die Musikszene der 20er, 30er und 40er Jahre bietet.

Da Ceraton über ein eigenes Mastering-Studio verfügt, kommen die Aufnahmen nicht etwa in kratziger Schellackmanier daher, sondern werden restauriert und klangveredelt. Diese letzte kreative Instanz ist eine Gratwanderung zwischen dem Zulassen von Höhen und dem Unterdrücken von Rauschen, bei der es „die Seele des Originals zu bewahren“gilt, wie Frank Misiak von Ceraton erklärt. Misiak bildet seit Jahren mit Wolfgang Ohl und Richard Kummerfeld, einem Spezialisten für historische Filmmusiken, den harten Kern des Labels. Und das erfolgreich: fünf ihrer Veröffentlichungen wurden mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet.

Kratzig oder nicht: „Die Musik der Lecuona Cuban Boys eignete sich hervorragend, um Mädchen schnell rumzukriegen“, weiß Günter Discher, der auch heute noch als DJ auf Parties derart bewährte Klänge beschwört.

Carsten Hansen

Unter dem Titel „Goody Goody“informiert Günter Discher morgen, 19.30 Uhr mit Schellackplattensammlung im Alsterpavillion über die Hamburger Swingjugend