Scherf für Grundgesetzänderung

■ Heute entscheidet der Senat über das Abstimmungsverhalten Bremens zum Lauschangriff / Journalisten wollen klagen

Bürgermeister und Justizsenator Henning Scherf (SPD) steht unter Druck. Heute entscheidet der Senat darüber, wie sich Bremen bei der Abstimmung im Bundesrat über die geplante Gesetzesänderung zum „Großen Lauschangriff“verhalten wird. Wenn CDU und SPD sich nicht einigen können, müßte sich Scherf enthalten. Das würde bedeuten, daß der Große Lauschangriff verhindert wird. Bislang hatte Scherf sich gegen den im Bundestag ausgehandelten Kompromiß zum Lauschangriff ausgesprochen.

Daß Scherf heute im Senat der geplanten Änderung des Grundgesetzes zustimmen wird, gilt allerdings als sicher. Scherf wird also die Möglichkeit, mit den Bremer Stimmen die Grundgesetzänderung zu blockieren, nicht wahrnehmen. Scherf hat angekündigt, daß er versuchen will, noch eine Veränderung in den Ausführungsgesetzen für den Lauschangriff durchzusetzen. Dafür müßte er allerdings eine Mehrheit der Stimmen im Bundesrat gewinnen, die bisher noch nicht sicher ist.

Innensenator Ralf H. Borttscheller hatte Scherf gestern noch einmal warnend auf die Konsequenzen für die Große Koalition hingewiesen. „Wir werden morgen früh in der Senatssitzung das Abstimmungsverhältnis Bremens festlegen, und für die CDU besteht kein Zweifel, daß wir darauf bestehen, daß Bremen der Grundgesetzänderung zustimmen wird“, sagte er in einem SAT 1-Interview . Eine Aufschiebung der Entscheidung gebe es nicht, betonte Borttscheller.

Um Scherf „an das zu erinnern, was er in der Vergangenheit gesagt hat“, forderten der Hartmann-Bund, der Republikanische Anwaltsverein, der Deutsche Journalistenverband, die IG Medien und die Jungsozialisten Scherf gestern in einer gemeinsamen Erklärung auf, standhaft zu bleiben. Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Hermann Meyn, kündigte an, daß die Journalistenvereinigung Klage vor dem Bundesverfassungsgericht gegen den Lauschangriff einreichen werde. „Das Zeugnisverweigerungsrecht, das Redaktionsgeheimnis und der Informantenschutz sind Bestandteile der Pressefreiheit. Sie wird durch die vom Bundestag beschlossene Grundgesetzänderung in ihrem Wesensgehalt attackiert, und das ist verfassungswidrig“, mahnte Meyn.

„Die Patienten fragen jetzt schon, was darf ich Ihnen eigentlich noch sagen“, berichtete der Bremer Immo Pape, Vorsitzender des Hartmann-Bundes, in dem bundesweit rund 40.000 Ärzte organisiert sind, aus seiner Praxis. Rainer Ahus, Geschäftsführer des Republikanischen Anwaltsvereins, sprach von einer „Täuschung in der öffentlichen Debatte“. Entgegen bisheriger Darstellungen würden Strafverteidiger „durch die schluderigen Formulierungen“nicht von den Abhöraktionen ausgenommen.

Kerstin Schneider