Liberia verliert seine fremden Herren

■ Nach siebeneinhalb Jahren endet heute das Mandat der von Nigeria geführten Eingreiftruppe „Ecomog“. Sie sucht nun neue Wirkungsfelder

Berlin (taz) – Nie haben die Bewohner von Liberia die westafrikanische Eingreiftruppe „Ecomog“ so bejubelt wie zu ihrem Abschied. Als Einheiten der Truppe am vorletzten Samstag zum letztenmal durch Liberias Hauptstadt Monrovia paradierten, marschierten über 10.000 Schulkinder hinterher und sangen im Chor: „Ecomog, du wirst uns fehlen.“ Mit Transparenten, auf denen „Ecomog, we love you“ und ähnliches stand, versammelten sie sich in einem Stadion, wo der nigerianische General Abdul-One Mohammad erklärte: „Es gibt eine Zeit für den Krieg und eine für den Frieden. Die Zeit für den Frieden ist da, und es ist Zeit für die Ecomog, nach Hause zu gehen.“

Am heutigen Montag endet das Mandat der westafrikanischen Regionalorganisation „Ecowas“ (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) für ihre „Militärische Beobachtergruppe“ (Ecomog) in Liberia. Zuerst zum Höhepunkt des liberianischen Bürgerkriegs im August 1990 nach Monrovia entsandt, war die Ecomog in Wahrheit eine von Nigeria dominierte schlagkräftige Interventionsstreitmacht. Bei ihrer Ankunft 1990 verhinderte sie zunächst die Einnahme der Hauptstadt durch Rebellenführer Charles Taylor; danach stützte sie jahrelang verschiedene Übergangsregierungen in Monrovia, die die Funktion hatten, Taylors Rebellenbewegung NPFL den endgültigen Sieg im Bürgerkrieg zu verwehren. Nigerias Interesse in Liberia bestand vor allem darin, den gefährlichen Präzedenzfall einer Machtergreifung radikaler Guerilleros in Westafrika zu verhindern.

Im Laufe der Jahre flauten die Kämpfe ab, die allein 1990 150.000 der 2,5 Millionen Liberianer das Leben kosteten. Die Ecomog organisierte ab 1995 die Entwaffnung der kämpfenden Gruppen und ließ im August 1997 allgemeine Wahlen abhalten, aus denen Ecomog-Feind Taylor mit 75,3 Prozent der Stimmen als Sieger hervorging. Der Ecomog-Einsatz in Liberia, international als Vorbild regionaler Krisenschlichtung bewundert, geriet damit zum siebenjährigen Umweg zwischen Charles Taylors militärischem Beinahe-Triumph und seinem überragenden demokratischen Wahlsieg.

In der Zwischenzeit hatten sowohl Taylor als auch die nigerianischen Ecomog-Chefs reichlich Gelegenheit, sich in dem an Edelhölzern und seltenen Mineralien reichen Liberia durch Schmuggel finanziell zu verbessern. Der siebenjährige Einsatz nützte also allen – außer der liberianischen Bevölkerung, die in dieser Zeit ohne jede staatliche Ordnung zurechtkommen mußte.

Seit Taylors Amstantritt als Präsident sind die Tage der Ecomog gezählt. Nach den Wahlen im August lief ihr Mandat noch sechs Monate, also bis zum 2. Februar 1998. Die letzte Aufgabe der Ecomog sollte sein, eine neue liberianische Armee zu gründen. Dafür veranschlagte Nigerias Militär aber ursprünglich sehr viel Zeit und wünschte eine Ecomog-Präsenz weit über Februar 1998 hinaus. Aber da Taylor den Nigerianern mißtraut, will er seine neue Armee lieber selbst aufbauen. Im Oktober begann er mit Vorbereitungen zur Bildung einer eigenen Grenzpolizei und drängte auf den vereinbarten Ecomog-Abzugstermin. Ecomog-Kommandeur Victor Malu drohte daraufhin, noch viel früher abzuziehen – und Taylor ganz ohne Armee zu lassen.

Am Schluß einigte man sich auf einen faulen Kompromiß: Liberias Regierung darf ihre Armee selbst bilden – dafür darf die Ecomog noch ein Weilchen im Land bleiben, auch ohne Mandat. Um den Kompromiß zu sichern, wurde Kommandeur Malu gefeuert.

Bisher sind von den etwa 11.000 Ecomog-Soldaten nur etwa ein Drittel aus Liberia abgezogen. Der neue Kommandeur Timothy Shelpidi, auch aus Nigeria, will die Aktivitäten der Truppe aus Liberia nun ins Nachbarland Sierra Leone verlagern. Dort herrscht seit Mai 1997 eine Militärjunta unter Major Johnny Koroma, die Nigeria unbedingt mit Gewalt aus dem Amt jagen will, obwohl sie längst zugesagt hat, bis April freiwillig abzutreten. Lokale Milizen namens „Kamajors“, die dem gestürzten sierraleonischen Präsidenten Ahmed Tejan Kabbah nahestehen, haben in den letzten Wochen ihre Angriffe im Südosten Sierra Leones verstärkt und dabei zahlreiche Greuel an der Zivilbevölkerung begangen. Die Militärjunta beschuldigt die Ecomog, hinter den Kamajors zu stecken. Diese sollen nach Überzeugung der Junta die Drecksarbeit erledigen, bevor die Nigerianer als Friedensbringer in Sierra Leone einmarschieren. Dominic Johnson