Kuh wird Leihmutter für Schafe

■ Gentechniker in den USA und Japan klonen mit Kühen. In Texas wurden zwei genmanipulierte Kälber geboren. In Wisconsin lassen Wissenschaftler sogar Schafe und Ratten von Kühen austragen. Hier gab es nur Fehlgeburten

Berlin (taz/AP/dpa) – Klonschaf „Dolly“ beschert der Reproduktionstechnik ein wahres Coming-out: Gleich drei Forscherteams erklärten, daß es ihnen gelungen sei, aus erwachsenen Körperzellen von Säugetieren geklonte Embryos herzustellen – also Tiere mit identischem Erbgut. Und dies mit einer ähnlichen Methode wie im Fall des Klonschafes „Dolly“. Wissenschaftler von der Universität Wisconsin setzten sogar noch eins drauf: Sie nahmen entkernte Eizellen von Kühen und füllten sie mit dem Erbgut von Schafen, Ratten, Schweinen und sogar Rhesusaffen. Damit sei es ihnen gelungen, bei Leihkühen die Schwangerschaft einzuleiten. „Wenn es so einfach geht“, folgert US-Bioethiker John Robertson, „geht es vielleicht auch beim Menschen so schnell.“ Die Ergebnisse des Reproduktionsmediziner-Kongresses in Boston lassen ahnen, daß die Horrorvision vom geklonten erwachsenen Menschen schon bald realisierbar werden könnte.

Der Vorteil der Kuheier ist, daß sie aus Schlachthöfen billig in großer Zahl beschafft werden können. Bisher kam es aber in Wisconsin jedesmal zur Fehlgeburt der Leihkuh. Weil auch bei „Dolly“ dem Edinburgher Roslin-Institut zufolge von 277 Versuchen nur einer gelang, hoffen die US-Forscher, daß früher oder später eine ihrer Kühe erstmals ein Schaf gebären wird. Unter dem Mikroskop sollen die manipulierten Embryos gesund aussehen, möglicherweise sind sie aber einfach grundsätzlich nicht entwicklungsfähig.

Erfolgreicher war dagegen die Arbeit an der Uni Massachusetts, die James Robl und Steven Stice gestern in Boston vorstellten: Sie klonten die Kälber „George“ und „Charlie“ – und manipulierten sogar das Rinder-Erbgut, bevor sie es in die entleerten Eizellen stopften. Die beiden Kälber wurden vergangene Woche in Texas geboren. Das Ziel der Forscher und ihres Unternehmens ACT ist es, künftig schnell genmanipulierte Kühe herzustellen, deren Euter Milch produzieren, die Medikamente enthält. Auch sie gaben an, bereits ausgereifte Zellen fürs Klonen verwendet zu haben. Allerdings sei ihre Methode etwas anders und zuverlässiger als die aus Edinburgh.

Japanische Forscher am staatlichen Institut für Tierindustrie in Tsukuba klonten Kühe genau nach der Methode „Dolly“: Sie nahmen ausgewachsene Zellen aus der Haut eines Bullenohrs und aus einem schon weit entwickelten männlichen Fötus. 12 von 42 Kühen seien so schwanger geworden. Im Sommer hoffen die Forscher auf einen erfolgreichen Wurf – doch es gab bereits Fehlgeburten.

Seit der Fall des Schafes „Dolly“ vor knapp einem Jahr bekannt wurde, mehrten sich kritische Stimmen, die nicht glauben wollten, daß das Schaf wirklich aus erwachsenen Körperzellen gezeugt wurde. „War Dolly eine Ente?“ fragt Die Zeit noch in ihrer aktuellen Ausgabe. Denn die Forscher aus Edinburgh können nicht zweifelsfrei belegen, daß „Dolly“ wirklich ein Klon ist. Das wird sich nun aufklären lassen: Mit den Genkälbern „Charlie“ und „George“ wurden erstmals zwei angebliche Klone geboren, die man nun miteinander vergleichen kann. Derweil ist die Möglichkeit des Klonens am Menschen noch nicht vom Tisch: Das renommierteste britische Medizinjournal The Lancet forderte im aktuellen Editorial, das Klonen menschlichen Gewebes und Organe weiter zu erlauben. Matthias Urbach