Die Revolution wartet auf den Papst

Ab morgen ist Papst Johannes Paul II. zu Besuch auf Kuba. Die Vorbereitungen für das historische Ereignis sind fast abgeschlossen. Kubas Katholiken sind voller Euphorie, die Hauptstadt erlebt einen Ausnahmezustand  ■ Aus Havanna Lorenz Rollhäuser

„El Papa ya está en la calle“ – „Der Papst ist schon da“, meint der alte Priester in der Kirche del Espirito Santo im ärmsten Teil der Altstadt Havannas. Natürlich verkünden zuallererst die Kirchen selbst die frohe Botschaft. Teilweise gerade erst vom Staat renoviert, sind sie mit Transparenten geschmückt, auf denen der Heilige Vater willkommen geheißen wird. In den Portalen, aber auch in den Fenstern mancher Wohnungen hängt das Konterfei Johannes Pauls II., darunter steht: Bote der Wahrheit und der Hoffnung. Die aktiven Gemeindemitglieder tragen Papst- T-Shirts und sind seit Wochen von Haus zu Haus gezogen, um den Leuten zu erklären, wer der Papst ist und welche Botschaft er auf der Insel verkünden wird.

Seit gut einer Woche herrscht in der Altstadt Havannas, wo die Touristen flanieren, eine Art Ausnahmezustand. An jeder Straßenecke stehen Uniformierte und kontrollieren willkürlich die Ausweise der Einheimischen. Wer nicht nachweisen kann, daß er hier wohnt oder Dringendes zu erledigen hat, wird weggeschickt oder landet gleich auf einem der Militärtransporter, die in den Seitenstraßen bereitstehen. Gespräche mit Ausländern können für Kubaner unversehens mit einer Nacht in Polizeigewahrsam enden.

Elsa, eine der vielen jungen Frauen, die sich – verbotenerweise – als Partnerin männlicher Touristen Dollars verdient, traut sich kaum noch auf die Straße. „Hoffentlich ist der Papst bald da“, meint sie, denn daß sich das Regime vor aller Welt als Polizeistaat darstellen will, kann sie sich nicht vorstellen.

20.000 Touristen, darunter Hunderte von Pilgern, halten sich derzeit in Havanna auf, dazu um die 2.000 Journalisten aus aller Welt. Bis zum letzten Moment wird an zentralen Stellen der verfallenden Altstadt fieberhaft gehämmert und gepinselt. Ein paar Straßen werden neu asphaltiert, damit das Papamobil sanft dahingleiten kann.

Wie viele Katholiken es eigentlich auf Kuba gibt, ist so klar nicht. 39 Prozent der insgesamt elf Millionen Einwohner seien katholisch, sagen einige. Nein, die katholische Gemeinde umfasse nur gerade eine halbe Million Menschen, sagen andere. Wie viele es auch sind – ihre Euphorie angesichts des Papstbesuches kennt keine Grenzen. „Er wird aus dem Flugzeug steigen, man wird ihm kubanische Erde reichen, und der Papst wird sie sanft, sehr sanft küssen, wie es sein Herz gebietet. Es wird der Kuß unserer Träume sein, die ersehnte Geste, auf die wir so lange gewartet haben“, heißt es in einer Broschüre der Kirche. Und es sieht ganz danach aus, daß für alle der Traum wahr wird, den Papst leibhaftig zu erleben. 300.000 Menschen, schätzt die Kirche, sind auf Transportmittel angewiesen. Für 370.000 Dollar hat die Kirche Busse und vor allem Lkws vom Staat angemietet, um die Gläubigen zu einer der vier Messen zu bringen, die der Papst während seines fünftägigen Besuchs auf der Insel in den Provinzhauptstädten Santa Clara, Camaguey, Santiago de Cuba und zuletzt in Havanna halten wird.

Dort sind auf dem Platz der Revolution die Vorbereitungen fast abgeschlossen. Wo sich sonst Fidel Castro ans Volk wendet, wurde zur Linken unterhalb des monumentalen Denkmals für Kubas Nationalhelden José Marti ein gewaltiger Altar errichtet, daneben Tribünen für die kirchlichen Würdenträger und die Vertreter der staatlichen Organe. Am kommenden Sonntag werden hier ab dem Morgengrauen Menschen aus Stadt und Land, gewappnet mit Transparenten und Fähnchen in Prozessionen aus allen Richtungen eintreffen, um zum ersten Mal seit fast 40 Jahren ein historisches Ereignis zu feiern, das nicht dem Diktat der Revolution gehorcht.

Diese seit Jahren erste Visite eines bedeutenden Staatsoberhauptes ist für die Regierung eine Aufwertung – und ein Risiko. Denn als Hirte der Gemeinde macht der Papst der Partei den Anspruch streitig, allein für das Wohlergehen des Volkes zuständig zu sein. Und was passiert, wenn der Papst die Menschenrechtslage anprangert und ihm aus dem Publikum zugejubelt wird?

Fidel Castro hat Konkurrenz bekommen. Ein paar ältere Damen, die auf dem Kolumbus- Friedhof Gräber besuchen, sind zwar überzeugt, daß auch Fidel Castro von Gott eingesetzt wurde. „Und wer ist Gott dann näher, der Papst oder Fidel?“ Sie zögern kurz und meinen dann: „Beide sind Gott gleich nah.“