Plavsic-Anhänger wählen allein

■ Nach dem Auszug der Hardliner aus dem bosnisch-serbischen Parlament wählen die Abgeordneten knapp einen neuen Ministerpräsidenten. Die Gegner drohen mit einem Boykott

Wien/Bijeljina (taz) – In Pale, der Hochburg der serbischen Hardliner in Bosnien-Herzegowina, herrscht Erbitterung und Empörung. Das Unvorstellbare ist geschehen: Dank der Stimmen der muslimischen und kroatischen Abgeordneten im Parlament der Republika Srpska konnte Milorad Dodik zum Premier der Republika Srpska (RS) gewählt werden. Damit ist es zu einem offenen Bruch zwischen den Anhängern von Präsidentin Biljana Plavšić und ihren Widersachern um Radovan Karadžić im Parlament gekommen.

Stundenlang dauerte am Samstagabend der Streit im Parlament der RS in Bijeljina, bis dem internationalen Bosnien-Koordinator Carlos Westendorp der Kragen platzte: „Meine Herren, Sie werden sich jetzt auf eine Regierung einigen, oder ich werde eine ernennen!“ Kurz vor Mitternacht war es dann soweit: 39 Abgeordnete der „Serbischen Demokratischen Partei“ (SDS) von Karadžić und der Serbischen Radikalen Partei (SRS) verließen fluchend und drohend das Parlament, 42 von insgesamt 83 Abgeordneten wählten danach einstimmig Milorad Dodik, den Präsidenten der „Unabhängigen Sozialdemokraten“, zum neuen Ministerpräsidenten.

Vor wenigen Tagen hatte Plavšić den 38jährigen Geschäftsmann aus Banja Luka als Regierungschef vorgeschlagen, obwohl seine Sozialdemokraten bei den Wahlen Ende November nur zwei Mandate gewonnen hatten. Dodiks Kandidatur wurde unterstützt von den aus Belgrad ferngesteuerten Sozialisten, aber auch von muslimischen und kroatischen Abgeordneten. Die Hardliner aus Pale beschuldigten ihn, ein „Verräter des serbischen Volkes zu sein“, dessen Wahl die „muslimischen Feinde“ ermöglicht hätten und verkündigten einen sofortigen Boykott der neuen Regierung.

Seit 1990 kämpfte Milorad Dodik als Funktionär der „Jugoslawischen Reformpartei“ gegen die nationalistischen Parteien in Bosnien-Herzegowina. Im Laufe des Krieges leitete er eine Gruppe, die sich gegen die nationalistische Politik des bosnischen Serbenführers Radovan Karadžić und seine damalige Vizepräsidentin Biljana Plavšić richtete. 1994 gründete er die „Unabhängige Sozialdemokratische Partei“. Dodik ist Miglied des „alternativen gesamtbosnischen Präsidiums“, in der die bürgerlichen Parteien aller drei Volksgruppen versammelt sind. Dodiks überraschende Kandidatur erfolgte nach eindringlichen Gesprächen des US-amerikanischen Sonderbeauftragten Robert Gelbard mit dem jugoslawischen Bundespräsidenten Slobodan Milošević und der Präsidentin der RS Biljana Plavšić.

„Ich werde mich entschieden für die Durchsetzung des Abkommens von Dayton und die Rückkehr der Flüchtlinge einsetzen“, erklärte Dodik am Sonntag. Die RS müsse so bald wie möglich dem NATO-Programm „Partnerschaft für den Frieden“ beitreten. In Kürze würde Banja Luka die Hauptstadt der bosnischen Serbenrepublik werden, Pale, der Sitz der Hardliner um Karadžić und Mladić, nur noch der Sitz gemeinsamer bosnischer Institutionen sein. Bislang hat Dodik allerdings keinen Einfluß auf den von Pale beherrschten Osten der RS, wo seine Regierug als ein Protektorat der USA angesehen wird.

Umgehend honoriert wurde die Unterstützung der Sozialisten für Dodik. Mit dem neuen Innenminister, dem Kriegskommandanten der bosnischen Serben, Oberst Stanković, hat der jugoslawische Bundesprädident Milošević seinen Mann auf einem der wichtigsten Posten der bosnischen Serbenrepublik untergebracht. Eine der schwierigsten Aufgaben für den Erhalt der Republika Srpska wird sein, die Polizei unter ein Kommando zu bringen. Andrej Ivanji