Kein Gütesiegel für sanften Tourismus

■ Der Grüne Koffer sollte ökologisch korrekte Ferienorte auszeichnen. Doch die Kommunen blockieren das Konzept der Umweltverbände

Berlin (taz) – Spülstopptasten für öffentliche Toiletten waren im Grünen Koffer und Mehrwegteller für Stadtfeste. Bodenproben waren drin und Gutachten über Luftverschmutzung: Mit diesem „Grünen Koffer“ wollen NaturschützerInnen ein aussagekräftiges Gütesiegel für ökologische Ferienorte, Reiseveranstalter und Hotels in ganz Europa schaffen. In Deutschland sollte es losgehen. Doch die Gemeinden blocken.

Die Bewertungskriterien seien nicht objektiv prüfbar, bemängelt der Deutsche Städte- und Gemeindebund. Helmut Röschersen vom Deutschen Naturschutzring (DNR) hält diese Kritik für vorgeschoben: Eine unabhängige Prüfung kratze schlicht am Selbstbewußtsein der Gemeinden.

Dabei werben immer mehr Gemeinden mit umweltfreundlichen Angeboten um Gäste. Der sogenannte „sanfte Tourismus“ gilt als wichtigster Trend in der Reisebranche, dem größten Industriezweig der Welt. Allgemeingültige Kriterien dafür, was ökologisch korrekte Urlaubsorte sind, gibt es jedoch nicht – geschweige denn ein Gütesiegel oder eine Liste, auf der sich Reisende informieren können. Das Wort „Öko“ im Hotel-Katalog kann alles mögliche bedeuten: vielleicht Regenwasser in der Toilettenspülung oder Frühstückshonig aus dem Glas statt aus winzigen Plastikpäckchen. Beides bringt der Umwelt unterm Strich wenig, wenn die Hotelgäste per Flugzeug anreisen.

Deshalb haben UmweltschützerInnen, unter anderem vom Deutschen Naturschutzring (DNR), vor sieben Jahren den Verein für ökologischen Tourismus in Europa (ÖTE) gegründet. Er sollte den Grünen Koffer entwickeln. 1992 lag der erste Kriterienkatalog für das Gütesiegel vor. Schon damals krittelte der Gemeindebund an dem Vorschlag herum. Der ÖTE reagierte mit einer überarbeiteten Version: „Jetzt wären die Voraussetzungen für die Einführung des Gütesiegels gegeben“, behauptet Helmut Röschersen vom DNR. In 25 spanischen Gemeinden werden die Checkliste bereits getestet, gefördert von der EU.

Doch den Gemeindebund überzeugt das nicht. „Die Diskussion ist noch nicht reif dafür“, beharrt Verkehrsdezernet Ernst Giesen. „Das wäre aus dem linken Arm geschleudert.“ Wann die Diskussion reif ist, könne man nicht sagen. Vielleicht 1999, wenn zum zweiten Mal der „Bundeswettbewerb Umweltfreundliche Fremdenverkehrsorte“ stattgefunden hat. An dem beteiligt sich der Gemeindebund. Im Unterschied zum Grünen Koffer blendet der Wettbewerb den tatsächlichen Zustand der Umwelt aus. Er beurteilt lediglich Ideen und Projekte der Gemeinden: In Hainrode lernen Kinder, wie man Müll trennt, und Hindelangen leitet seine BesucherInnen per Einbahnstraße auf einen extra Touristenparkplatz.

Für den Grünen Koffer müßten die Kommunen dagegen auch Boden, Wasser und Luft im Labor untersuchen lassen. Das ist vielen Gemeinden zu teuer, schon weil sie am Tourismus immer weniger verdienen: 1997 reisten rund sechs Prozent weniger Touristen in deutsche Urlaubsorte als noch im Jahr zuvor.

Weil der BUND nicht länger auf den Grünen Koffer warten will, hat er nun einen eigenen Fragebogen entwickelt, mit dem die Umweltschützer die Reiseveranstalter auf ihre Umweltverträglichkeit abklopfen wollen. Am Wochenende wurde der Fragebogen in Hannover erstmals verteilt. Dort trafen sich rund 100 Veranstalter im „Reisepavillon“, Deutschlands größter Messe für Ökotourismus.

Die UmweltschützerInnen von DNR und ÖTE hoffen derweil auf den erweiterten Öko-Audit der EU. Diese freiwillige Umweltverträglichkeitsprüfung für Kommunen soll in den kommenden Monaten beschlossen werden. Sie enthält viele der Bewertungskriterien, die auch der Grüne Koffer fordert. Judith Weber