Polizeieinsatz in Slupsk mit tödlichem Ausgang

■ Nach dem Tod eines Schülers randalieren Tausende Jugendliche. 100 Personen festgenommen

Warschau (taz) – „Wenn ihr Krieg wollt, den könnt ihr haben!“ brüllte ein Sechzehnjähriger und schleuderte einen Pflasterstein gegen die Wand bedrohlich vorrückender Polizisten. Am Sonntag lieferten sich Jugendliche mit der Polizei in der polnischen Stadt Slupsk (Stolp) eine Schlacht. Tags zuvor war die Straßenfete nach einem Basketball-Spiel von der Polizei brutal aufgelöst wurden. Ein 13jähriger blieb auf dem Pflaster liegen. Tot. „Der erste Schlag hat ihn direkt ins Gesicht getroffen, der zweite tiefer“, berichtet der Zeuge Janusz Wieliczka laut Gazeta Wyborcza.

Der Lokalsender Radio Wigor meldet am nächsten Morgen, daß die Polizei den 13jährigen Schüler Przemek Czaja ermordet hat. Am Sonntag nachmittag versammelt sich eine aufgebrachte Menge vor dem Kommissariat. Mehrere tausend Kinder und Jugendliche skandieren „Tod für den Tod!“, „Ge- sta-po!“, „Gerech-tig-keit!“ Steine fliegen. Die Polizei interveniert mit Schlagstöcken. Flaschen fliegen. Die Polizei schießt mit Tränengas in die Menge. Über den Rundfunk appelliert der Bürgermeister an die Eltern, ihre Kinder nicht auf die Straße zu lassen. Radio Wigor berichtet von der Straßenschlacht. Erst gegen ein Uhr nachts zerstreut sich die Menge. Die vorläufige Bilanz laut Radio Zet: 40 Verletzte, darunter 30 Polizisten, 100 Verhaftete und 20 zerstörte Streifenwagen. Schuld an dieser Straßenschlacht seien die Medien, erklärt der Polizeisprecher in Slupsk. Radio Wigor habe behauptet, daß ein Polizist ein Kind erschlagen hat, und am Sonntag jede halbe Stunde einen Live-Bericht aus dem Getümmel gesendet.

Noch aber sei gar nicht klar, so der Pressesprecher, ob der 13jährige aufgrund der Schläge starb. Andere Zeugen hätten berichtet, daß er auf der Flucht vor dem Polizisten gegen den Pfeiler einer Straßenbahnhaltestelle gelaufen sei. Nach der Leichensektion teilte ein Arzt in Slupsk mit, daß nur die Wunde an Hals und Unterkiefer mit Sicherheit von einem Schlagstock herrühre. Tödlich sei eine zweite Verletzung gewesen. Der Schlag oder Zusammenprall mit der Säule habe eine Gehirnblutung ausgelöst. Die Familie des Toten fordert eine zweite Sektion. Für den Pressesprecher des Hauptkommissariats in Warschau ist klar, daß den Polizisten keine unmittelbare Schuld trifft. Dariusz W. wurde jedoch vorläufig festgenommen. Wahrscheinlich, so ließ die Staatsanwaltschaft verlauten, muß er sich wegen fahrlässiger Tötung vor Gericht verantworten. Gabriele Lesser