Offener Brief

Offener Brief

von Ghislaine Valter, Asylgruppe Ostertor, an Richter Feldhusen, Verwaltungsgericht

Gestern habe ich von 7.00 bis 8.20 Uhr in Begleitung von Pastor Mische (Evangelische Kirche) Issah M. beigestanden und mit Entsetzen die katastrophalen Folgen Ihres ablehnenden Beschlusses vom 7. Januar 1998 miterlebt.

In der Zelle saß Issah M. schreiend auf dem Boden, zitternd vor Todesangst, das Gesicht mit Tränen überströmt, am ganzen Körper bebend, die Atmung stockend, kaum fähig zu sprechen oder zuzuhören. Lange Zeit verging, bis er in der Lage war zuzuhören und Fragen zu beantworten.

Immer wieder zwischendurch panische Anfälle, weinend und flehend: „Schickt mich nach Burkina Faso, nach Benin, nach Ghana, aber nie, niemals nach Lomé. Sie töten mich. Erschießt mich doch jetzt gleich. Gott, ich bin hier, Mohamed verlaß mich nicht. Bitte, bitte, fliegt mich nicht nach Lomé, ich will noch leben. Helft mir doch.“

Herr Richter Feldhusen, ich habe mir gestern gewünscht, daß Sie in dieser Zelle diesem Mann von Angesicht zu Angesicht erläutert hätten, daß bei seiner Rückkehr keine Gefährdung bestehe, „denn das politische Klima in Togo erlaubt trotz aller Probleme offene Oppositionsarbeit“(Zitat aus Ihrem Beschluß vom 7.1.98). Weiterhin hätten Sie ihm erläutern müssen, daß die Militärs, die Ende März 1994 in die Moschee Agoe eingedrungen waren, die Koran-Bücher verbrannten, Issah M. und neun weitere „Almasiri“(islam. Prediger, d.Red.) aus dem Internat der Moschee rausprügelten und ihn schließlich zur Flucht aus Lomé zwangen, keine relevanten Gründe für eine Asylgewährung sind, genausowenig wie seine offene Kritik an der Regierung, die er während seiner Predigten ausübte.Schließlich hätten Sie ihm erläutern können, warum Sie bei der Gerichtsverhandlung vom 15.7.97 seiner mandatierten Rechtsanwältin den Verhandlungstermin nicht mitgeteilt und auch, warum ihm bei dieser Verhandlung nicht die Möglichkeit gegeben wurde, seine Asylgründe selbst vorzutragen. Ich kann die Bilder dieser Abschiebung nicht vergessen. * Name geändert; siehe auch taz vom 6. und 9.1.98