„Private Tips bringen vor allem Kleinvieh“

■ Der Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft, Dieter Ondrazek, lehnt Spitzelprämien ab

Dieter Ondrazek ist seit zwei Jahren Vorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft und war früher selbst als Steuerfahnder tätig.

taz: Sind die Finanzämter auf Tips aus der Bevölkerung angewiesen?

Ondrazek: Nein. 90 Prozent der von uns aufgeckten Hinterziehungsfälle gehen auf unsere eigenen Recherchen zurück. Nur jeder zehnte Fall beruht auf einem Hinweis von außen.

Dieser Anteil könnte steigen, wenn solche Tips künftig vom Staat honoriert werden.

Das merken die Kollegen in den Finanzämter schon jetzt. Seit diese Debatte läuft, rufen ständig Leute an und fragen: „Was gebt ihr mir, wenn ich euch was erzähle?“

Und was antworten die dann?

Den Anrufern wird gesagt, daß Hinweise gerne entgegengenommen werden, eine Bezahlung jedoch nicht in Frage kommt.

Und das soll so bleiben?

Ja. Wir legen auf solche Spitzelprämien keinen Wert. Der Staat soll sich nicht auf das moralische Niveau derer begeben, die er als Straftäter verfolgt.

Das klingt edel. Kann sich der Fiskus das noch leisten?

Ja, denn bei den privaten Tips geht es doch vor allem um Kleinvieh. Wenn wir dafür künftig bezahlen würden, wären unsere Kapazitäten schnell verstopft und wir kämen gar nicht mehr dazu, die großen Fälle zu bearbeiten.

Die Prioritäten können die Steuerfahnder doch selbst festlegen.

Im Prinzip ja. Aber Sie müssen das aus der Sicht der Tipgeber sehen. Die bekommen das Geld ja vernünftigerweise erst dann, wenn sich der Hinweis als brauchbar herausgestellt hat. Also wollen sie, daß wir ihren Fall möglichst schnell bearbeiten und rufen dann alle zwei Wochen bei uns an.

Der Lothringer Informant, der die Diskussion ausgelöst hat, offeriert aber eher große Fische. Auf die wollen Sie auch verzichten?

Notfalls müssen wir auch mal verzichten. Wir sind ja eh personell unterbesetzt. Außerdem habe ich den Eindruck, daß die meisten Tips früher oder später doch bei uns landen, weil das finanzielle Motiv eigentlich gar nicht im Vordergrund steht.

Sondern Rache, Neid und Mißgunst?

Genau. Die Motive sind der Fahndung aber egal. Steuerhinterziehung ist ein Offizialdelikt und muß verfolgt werden, sobald es Hinweise gibt. Interview: C. Rath