Sendeanlagen sollen schuld daran sein, daß in einer oberbayerischen Gemeinde Milchkühe tot umfallen und Kälber mit Fehlbildungen geboren werden. Doch nach wie vor ist umstritten, ob die von Funktürmen ausgestrahlten elektromagnetischen Well

Sendeanlagen sollen schuld daran sein, daß in einer oberbayerischen Gemeinde Milchkühe tot umfallen und Kälber mit Fehlbildungen geboren werden. Doch nach wie vor ist umstritten, ob die von Funktürmen ausgestrahlten elektromagnetischen Wellen Krankheiten auslösen können.

Die Angst vor dem Elektrosmog

Fehlgeburten, Mißbildungen und ungewöhnliche Todesfälle in einer Milchviehherde halten die kleine oberbayerische Gemeinde Schnaitsee im Landkreis Traunstein in Atem. Ihren Anfang nahm der Fall „Schnaitsee“ schon vor zwei Jahren, als auf dem Zuchthof von Josef Altenweger erstmals eine Kuh seltsam zu taumeln anfing, scheinbar orientierungslos in einen Stacheldrahtzaun wankte und noch in der selben Nacht verendete. Die Vermutung, das Tier sei an Tollwut krepiert, ließ sich nicht bestätigten. Statt dessen entdeckte man bei der Obduktion der Tierleiche einen Tumor im Gehirn. Seitdem sind auf Altenwegers Hof noch drei weitere Kühe verendet.

Anfangs vermutete Josef Altenweger noch, er habe eben nur „Pech“ mit seiner Herde. An Elektrosmog als mögliche Ursache dachte der seit 25 Jahren im elterlichen Betrieb mitarbeitende Landwirt erst, als nicht nur die Milchleistung der Kühe stark zurückging, sondern auch vermehrt Früh- und Totgeburten auftraten und die Kälber immer häufiger auffällige Mißbildungen aufwiesen.

Direkt hinter dem Anwesen Altenwegers befindet sich in 300 Meter Entfernung ein 153 Meter hoher Fernsehturm. Der Anfang der 80er Jahre errichtete Turm gilt als eine der stärksten Sendeanlagen Ostbayerns. Nach und nach aufgerüstet, ist der Fernsehturm mittlerweile mit 37 Sendern ausgestattet, darunter Richtfunk, Eurosignal und seit Anfang der 90er Jahre auch mit einer D1-Mobilfunk-Anlage. Seit 1995 wird Altenwegers Hof noch zusätzlich auf der Vorderseite von einem 500 Meter entfernt stehenden Sendeturm für das D2-Mobilnetz bestrahlt.

Nachdem nicht nur die Kühe sichtbar leiden, sondern angeblich auch Hühner plötzlich umfallen, Nadelbäume entlang der Strahlungsschneise von der Krone abwärts verbrannt wirken und Obstbäume bereits im Juni ihre Blätter verlieren, glaubt Altenweger nicht mehr an die Unbedenklichkeit der Funkanlagen.

„Die elektromagnetischen Felder, die von den Türmen in Schnaitsee abstrahlen, machen uns alle krank“, ist sich der Landwirt sicher. Auch ihm selbst gehe es „beschissen schlecht“. Er habe immer Magen-, Herz- und Kopfschmerzen. Wenn er allerdings seinen Hof verlasse, dann trete bereits in fünf bis sechs Kilometern Entfernung eine Besserung auf.

In Absprache mit dem Amtstierarzt Jürgen Schmid vom Veterinäramt Traunstein brachte Landwirt Altenweger zwei besonders unruhige und auffällige Kühe in einen etwa zwanzig Kilometer entfernten Stall unter. Da die Symptome wie tränende Augen oder ständiges Trippeln nach fünf Tagen wieder völlig verschwunden waren, aber sofort nach der Rückbringung in den heimischen Stall wieder auftraten, zog der Veterinär in einem Zwischenbericht die Schlußfolgerung: „Aufgrund der in Ihrem Bestand durchgeführten Erhebungen und Untersuchungen ist derzeit für die beschriebenen Vorkommnisse im Tierbestand nur die Dauerbelastung durch elektromagnetische Felder als Ursache festzustellen.“

Eine „vorschnelle Vermutung“ widersprach das Bayerische Gesundheitsministerium. Ein direkter Zusammenhang zwischen elektromagnetischen Feldern und gesundheitlichen Schäden bei Tieren sei wissenschaftlich nicht nachgewiesen. Der zuständige Landrat ging sogar noch weiter. Er forderte, daß alle Äußerungen des Veterinärmediziners zu den Vorkommnissen über das Münchner Gesundheitsministerium abgewickelt werden sollten.

Amtstierarzt Schmid suchte Hilfe bei einem Spezialisten. Professor Günter Käs, an der Bundeswehrhochschule München zuständig für Radar und Elektronik, untersuchte die elektromagnetischen Abstrahlungen in Schnaitsee. Seine Messungen ergaben eine hundertmal stärkere Strahlung, als sie beispielsweise der Münchner Fernsehturm aufweist. Auf die mysteriösen Vorkommnisse auf dem Hof von Bauer Altenweger befragt, berichtet der Münchener Radarexperte: „Wir wissen, daß es ein Standortproblem ist.“ Zwar gäbe es bislang keinerlei Beweise dafür, daß die Symptome von elektromagnetischen Strahlen herrührten, „aber es gibt deutliche Hinweise“. Einen Zusammenhang könne er „auf gar keinen Fall ausschließen“.

Auf Anraten des Professors hat Altenweger mittlerweile seinen Kuhstall von außen mit einem Drahtgitter provisorisch gegen Strahlung abgeschirmt. Allein durch diese Maßnahme sei die Belastung im Stall um 90 Prozent zurückgegangen, so Käs.

Altenweger bringt mittlerweile auch eine Häufung von Krebserkrankungen in der 2.500 Seelen- Gemeinde Schnaitsee mit den Sendeanlagen in Verbindung. Seinen Angaben zufolge seien in einem Umkreis von einem Kilometer um die Sendeanlagen nicht nur ein fünfjähriger Bub an Gehirntumor gestorben, auch das Patenkind Veronika, im Nachbarhaus geboren, kam mit drei Nieren und mißgebildetem Harnleiter zur Welt. Erst letzten Monat mußte sich ein anderer Nachbar einer Operation unterziehen, bei der ein Nierentumor entfernt wurde.

Eine von den Bayerischen Grünen initiierte Untersuchung soll jetzt Aufschluß darüber geben, ob Elektrosmog möglicherweise die Ursache dafür ist. Bis zum Ende Februar sollte nach einem Beschluß des Landtages der Bericht vorliegen. Doch bis zum Jahreswechsel war noch nicht einmal geklärt, wer überhaupt mit der Durchführung der Studie beauftragt werden soll. Manuela Knipp-Dengler,

Schnaitsee