Kasachstan

Nach dem Ende der Sowjetunion waren Türken die ersten Ausländer, die nicht aus der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) stammten und hier investierten. Angetrieben wurden sie von Geschäftsinteressen und damals in Ankara propagierter pantürkischer Ideologie. Nach türkisch-nationalistischer Darstellung sind Kasachen, ebenso wie ihre Nachbarn in Usbekistan, Kirgistan (Kirgisien) und Turkmenistan, ein Turkvolk.

Weniger ethnologisch betrachtet ist Kasachisch eine Turksprache, die erst seit 1940 im kyrillischen Alphabet geschrieben wird. Nur: Die meisten Kasachen verstehen sie nicht oder nur unzureichend. Lingua Franca ist in Kasachstan Russisch, auch wenn Beamte mittlerweile Kenntnisse in Kasachisch nachweisen müssen.

Russen bilden 35 Prozent der Bevölkerung, Kasachen machen zwischen 45 und 50 Prozent aus – je nach Darstellung. Hinzu kommen Usbeken, Kirgisen, Udmurten, Baschkiren, Uiguren, Tartaren, Ukrainer und Deutsche.

Über eine Million Russen und Ukrainer sollen Kasachstan seit der Unabhängigkeit verlassen haben und rund 700.000 Deutsche. Einst machte die Minderheit dieser „Rußlanddeutschen“ eine Million Menschen aus. Viele von ihnen versuchen nun, sich in der Heimat ihrer Urururväter eine Existenz aufzubauen.

Nach einem Dreivierteljahrhundert als Teil der Sowjetunion verwaltet Kasachstan etliche Altlasten des untergegangenen Imperiums. Nach dem Ende der UdSSR war der neuentstandene Staat plötzlich Herr über strategische Atomraketen. Mit dem Raumfahrtbahnhof Baykonour verfügte es über die Zentrale des sowjetischen Raumfahrt und mit dem ehemaligen Atomtestgelände Semipalatinsk über eine der größten radioaktiv verseuchten Zonen der Welt – 18.500 Quadratkilometer Erde sollen verstrahlt sein, ein Gebiet so groß wie Sachsen.

Kein Wunder, daß etliche Kasachen die im Lande lebenden Russen mit Unbehagen betrachten. Seit der Unabhängigkeit besinnen sich viele wieder auf ihre jahrhundertealte religiöse Vergangenheit als sunnitische Muslime. Russen gelten ihnen als ungläubige Suffköppe. Was allerdings dem Umstand keinen Abbruch tut, daß an fast jedem Kiosk des Landes ominöse Sorten Billigwodka angeboten werden – und auch zahlreiche Abnehmer finden.