SFOR verhaftet Kriegsverbrecher

Zwei bosnische Kroaten werden in der zentralbosnischen Stadt Vitez verhaftet. Nato-Führung fordert alle gesuchten Personen auf, sich freiwillig zu stellen  ■ Von Erich Rathfelder

Berlin (taz) – Ein niederländisches Kommando der SFOR- Truppen in Bosnien hat in der Nacht zu gestern in der zentralbosnischen Stadt Vitez zwei bosnische Kroaten festgenommen, die vom UN-Tribunal für Ex-Jugoslawien wegen Kriegsverbrechen gesucht werden. Dabei wurde der 39jährige Vlatko Kupreškić von mehreren Kugeln getroffen. Anto Furundjia wurde unverletzt in Gewahrsam genommen und sofort dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag überstellt. Kupreškić habe bei der Festnahme am Donnerstag morgen auf die SFOR-Soldaten gefeuert, erklärte das niederländische Verteidigungsministerium. Die niederländischen Soldaten hätten das Feuer erwidert und Kupreškić mit drei Schüssen verletzt. Sein Zustand sei stabil.

Vlatko Kupreškić ist der Cousin von einem der zehn bosnischen Kroaten, die sich im Oktober freiwillig dem Tribunal in Den Haag gestellt hatten. Unter starkem internationalem Druck hatte die kroatische Führung in Zagreb von den bosnischen Kroaten gefordert, die Angeklagten sollten sich dem Tribunal stellen. Zur Last gelegt wird den Angeklagten, an „ethnischen Säuberungen“ im Lasva-Tal, vor allem bei dem Massaker von Ahmici, bei dem wahrscheinlich mehr als 150 Muslime ermordet worden sind, beteiligt gewesen zu sein. Seit Juni steht der Kommandant der bosnisch-kroatischen Truppen in Vitez, Tihomir Blaškić, in Den Haag vor Gericht.

Erstmals seit den Ereignissen in Prijedor im Juni dieses Jahres, als eine britische Einheit zwei serbische Kriegsverbrecher festzunehmen versuchte und einer der Gesuchten erschossen wurde, ist von seiten der internationalen Streitkräfte mit Gewalt vorgegangen worden. Nato-Generalsekretär Javier Solana erklärte, die Aktion der SFOR sei eine Warnung an alle wegen Kriegsverbrechen gesuchten Personen, die noch in Freiheit sind. Diese Personen sollten sich dem Den Haager Tribunal stellen.

Solana beglückwünschte die SFOR zu der Festnahme und sprach von „Einsatzbereitschaft und Professionalität“. Die Aktion sei in Übereinstimmung mit dem Mandat der SFOR erfolgt, wonach mutmaßliche Kriegsverbrecher verhaftet werden, sofern sie der SFOR bei der Ausübung ihrer Aufgaben begegnen. Noch vor wenigen Tagen hatten SFOR-Kommandeure alle Forderungen abgelehnt, die internationalen Friedenstruppen sollten die mutmaßlichen Kriegsverbrecher festnehmen. Immer wieder wurde betont, die SFOR sei nicht auf solche Aktionen vorbereitet.

Der Sinneswandel bei der SFOR hängt offenbar mit der Bosnien-Konferenz in Bonn zusammen, auf der das Mandat der internationalen Gemeinschaft gestärkt worden war. Seit Sommer warten trotz aller Dementis internationale Spezialtruppen auf ihren Einsatzbefehl. Aus diplomatischen Quellen in Sarajevo verlautete, daß demnächst mit Aktionen der SFOR auch gegen serbische Kriegsverbrecher zu rechnen ist, zumal deren Aufenthaltsorte bekannt sind. Gestern veröffentlichte die französische Tageszeitung Le Monde die Namen von 55 mutmaßlichen Kriegsverbrechern und gab teilweise deren Adressen an.

Eine Aktion gegen Karadžić und seinen Militärchef Mladić könnte jedoch große Risiken mit sich bringen. Beide seien von schwerbewaffneten Bodyguards umgeben. Zudem stünden ihnen die atombombensicheren Bunkeranlagen von Han Piješak zur Verfügung. Die bisher geheim gehaltene Aktion eines Spezialkommandos der US-Streitkräfte sei im Juni dieses Jahres im Fall Karadžić schon einmal gescheitert.