Analyse
: Kleine Monopole

■ Der scheidende Postminister hat wenig an die Privatkundschaft gedacht

Ein Ministerium wird abgewickelt: Gestern verabschiedete Kanzler Helmut Kohl Postminister Wolfgang Bötsch mit warmen Worten. Fünf Jahre lang hatte der Mann versucht, den Konkurrenten der früheren Behörde Post den Weg zu ebnen. Doch weniger das Interesse der privaten Kunden war dabei sein Maßstab. Vielmehr ging es um eine Lösung, die sowohl den Großkunden – sprich den Wirtschaftsunternehmen – gefällt als auch der Bundeskasse zupaß kommt.

Die Bedingungen für die gelbe Post und die Telekom sind dabei unterschiedlich. Denn während der Transport von Briefen und Paketen immer aufs neue als Dienstleistung von Menschen erbracht werden muß, spielt bei der Telekommunikation das Netz die zentrale Rolle. In beiden Fällen hat Bötsch dafür gesorgt, daß die bisherigen Monopolisten einen deutlichen Startvorteil haben. Denn nach wie vor gehören die Aktiengesellschaften zum großen Teil dem Staat. Von den Dividenden will die Bundesregierung die Pensionen für die einstigen Postbeamten bezahlen – immerhin etwa 23 Milliarden Mark bis zum Jahr 2010.

Die gelbe Post hat durch das erst vergangene Woche verabschiedete Postgesetz faktisch weiterhin ein Briefmonopol bis Ende 2002. Alle Sendungen bis 200 Gramm sind nach wie vor ihr Beritt; ausgenommen ist nur Infopost, die mehr als 50 Gramm wiegt. 80 bis 90 Prozent der Kuverts werden also auch in den nächsten fünf Jahren vom Postboten zugestellt. Da bleibt viel Zeit, sich auf die drohende Konkurrenz einzustellen und ein entsprechendes Finanzpolster anzulegen.

Ab 2002 werden jedoch mit Sicherheit regionale Anbieter auftauchen und der Post zumindest in Ballungsgebieten Kundschaft abjagen. Dann wird es zu einer Spreizung der Angebote innerhalb Deutschlands kommen, die möglicherweise den Liebesbrief von Beidenfleth in Schleswig-Holstein nach Neudorf in Bayern zum Luxus werden läßt. Denn gleiche Tarife für die gesamte Republik sind im neuen Postgesetz nicht mehr vorgeschrieben.

Die Telekom hingegen wird schon Anfang 1998 mit Konkurrenz konfrontiert sein. Doch auch sie behält, ähnlich wie die Deutsche Bahn AG, mit ihrem flächendeckenden Netz faktisch ein Teilmonopol: Wer Gespräche durchleiten will, muß zahlen. Interessant für die Konkurrenten sind deshalb vor allem solche Kunden, die permanent in die Ferne telefonieren – denn für lange Strecken haben einige neue Marktteilnehmer wie Energieversorger oder Bahn eigene Verbindungswege. Und zum zweiten werden die neuen Anbieter vor allem diejenigen mit günstigen Angeboten locken, bei denen sich die Verlegung eines neuen Kabels lohnt. Das aber trifft nur auf große Firmen zu. Bei ihnen wird die Telekom versuchen, mit günstigen Tarifen gegenzuhalten. Um ihre dadurch belastete Kasse nicht weiter zu leeren, wird sie vermutlich an anderer Stelle die Preise weniger senken als eigentlich möglich – und zwar dort, wo sie faktisch keine Konkurrenz hat: im Nahgesprächsbereich.

Postminister Bötsch hätte dies verhindern können, indem er die Telekom zum Verkauf des Fernsehkabelnetzes gezwungen hätte. Ohne großen Aufwand wäre dann eine zweite Struktur zur Versorgung von 60 Prozent der Kleinkunden verfügbar gewesen. Die Konkurrenz der Netzbesitzer hätte mit Sicherheit dazu geführt, daß auch die Privatkundschaft sich über deutlich günstigere Preise hätte freuen dürfen. Doch das hätte die Attraktivität der Telekom und damit den Wert ihrer Aktien geschmälert – was vor allem dem Finanzminister gar nicht gepaßt hätte. Annette Jensen