■ taz hörsaal
: Vielleicht der Anfang einer Opposition

Im Hörsaal schreiben Studierende über die Misere an den deutschen Hochschulen.

Die landesweite Umarmung der streikenden Studenten, mit denen man nun gemeinsam auf dem Sofa „Schandort Deutschland“ kuscheln möchte, scheint auf zwei Tatsachen hinzudeuten: Zum einen zeigt sie, daß dieser Protest längst überfällig war. Zum anderen aber demonstriert die Umarmung, wie all jene den Streik für eigene Zwecke nutzen, die es versäumt haben, in der Vergangenheit eine unmißverständliche Position zur Hochschulmisere einzunehmen. Ihr kommt zu spät!

Diese Pseudosolidarität hat wenig mit ernstgemeinter Unterstützung, geschweige denn mit handfesten Reformplänen zu tun, die über Rufe nach horrenden Studiengebühren und drakonischer Zwangsexmatrikulation hinausgehen müssen.

Wir gehen weder allein für unsere eigenen Interessen auf die Straße, noch sind wir unpolitischer als die 68er, deren Vorbild uns heute wenig bei der Umsetzung unserer Forderungen nützt. Das Jahr 98 dagegen bedeutet im politischen Gedächtnis vor allem 16 Jahre Kohl-Regierung, an deren vorläufigem Ende Deutschlands Ausgaben für Bildung in Europa auf dem 15. Platz rangieren. Dies soll keineswegs die Relevanz des Protestes der 68er Bewegung schmälern, sondern lediglich darauf aufmerksam machen, daß unsere Situation eine andere ist und wir des ewigen, kontraproduktiven Vergleichs mit den Vätern müde sind.

Unser Protest heute richtet sich vor allem gegen die Einführung von Studiengebühren und Zwangsexmatrikulation als Mittel zur Reduzierung der Studierendenzahl. Dabei dürfen aber auch Reformvorschläge, die zur Verkürzung des Studiums und zu einer arbeitsmarktgerechteren Ausbildung anregen, nicht ausgeklammert werden. Jeder, der eine „Instrumentalisierung“ oder „Verwertung“ der Studenten für die Wirtschaft ablehnt, sollte die Scheinheiligkeit seiner Argumentation beachten, die leugnet, daß Studenten und angehende Akademiker denselben gesellschaftlichen Regeln unterworfen sind wie ihre nichtstudierten Mitbürger.

Auch wenn die Proteste nur noch Tage oder Wochen anhalten sollte – vielleicht könnte es der Anfang einer Oppositionsbewegung sein. Devrim Karahasan

(Ruhr-Uni Bochum)

Beiträge bitte an cif@taz.de