Süd-Korea, Filmzensur, etc.
: Feindbegünstigung

■ Der Festivalleiter von Pusan sitzt im Gefängnis, weil er „Red Hunt“ gezeigt hat

Im Rahmen der „Asien-Pazifik-Tage“ der Berliner Wirtschaft fand unlängst eine „Werkstatt der Kulturen“ statt. In diesem Zusammenhang referierte die Mitarbeiterin einer koreanischen Menschenrechtsgruppe aus Köln über die Situation politischer Gefangener in Süd-Korea – von denen es mehr als 859 gibt. Obwohl die Regierung – die Referentin sprach von einer „Zivildiktatur“ – 114 nach Machtantritt entließ, von denen einer 43 Jahre in Einzelhaft gesessen hatte.

Seitdem wird von offizeller Seite behauptet, es gebe keine politischen Gefangenen. Nach den Auseinandersetzungen um die Gewerkschaftsreform, während der letzten großen Streiks im Dezember 1996, stieg die Zahl der aus politischen Gründen Inhaftierten auf über 900. Selbst Folter, etwa mit Wasser, wird in koreanischen Gefängnissen noch angewandt. Im Vorfeld der Präsidentenwahl am 18. Dezember 1997 mehren sich zudem Anzeichen für einen neuen „koreanischen McCarthyismus“, unter anderem in Geheimdienstaktivitäten gegen Intellektuelle, die verdächtigt werden, für den Todfeind Nord- Korea zu „spionieren“. Wobei der koreanische Spionagebegriff äußerst dehnbar ist. Schon die Dezember-Proteste, die sich fast zu einem Generalstreik ausweiteten, hatten sich nicht nur gegen das neue „reaktionäre Arbeitsgesetz“, sondern auch gegen ein „verschärftes Sicherheitsgesetz“ gewandt, mit dem den Geheimdiensten ein größerer Spielraum eingeräumt werden sollte.

Die Menschenrechtsaktivistin aus Köln hatte den Film „Das purpurne Kopftuch“ mitgebracht: über Mütter von politischen Gefangenen, die sich organisierten, um für die Freilassung ihrer Söhne zu kämpfen. Es sind fast ausschließlich Männer inhaftiert, ihre Mütter haben sie teilweise schon seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen. Die Mutter von Kim Sung-Man, der seit 1983 in Isolationshaft gehalten wird, möchte vor ihrem Tod noch einmal eines: für ihren Sohn eine Mahlzeit zubereiten! Auf dem Filmfestival in Pusan hatten wir Ende Oktober dazu den Kurzfilm „Der Mantel“ von Yeo Kyun-Dong gesehen, in dem ein entlassener Häftling die Mutter eines politischen Gefangenen besucht, mit dem er sich im Gefängnis angefreundet hat. Die alte Frau schenkt ihm einen Mantel ihres Sohnes und kocht für ihn – als „surrogate son, only to encounter the truth und years of sadness“, so der Katalogtext.

In Pusan wurde auch „Red Hunt“ von Cho Sung-Bong gezeigt. Der Dokumentarfilm zeigt die Kommunistenverfolgung auf der Insel Cheju-Do – anhand von Archivmaterial und Aussagen Überlebender. Der Film war als einer der wenigen nicht untertitelt, so daß er für uns unverständlich blieb. Dabei hatte die Festivalleitung zur Vorführung extra eine Genehmigung von der Zensur eingeholt. Anfang Oktober war bereits das zweite „Human Rights Film Festival“ in Seoul nicht genehmigt worden, weil der Leiter Suh Joon-sik darauf bestand, „Red Hunt“ zu zeigen, und sich geweigert hatte, die ausgewählten Filme vorher von der Zensur genehmigen zu lassen: „Er wollte sich nicht mit antidemokratischen Gesetzen kompromittieren!“ wie die Menschenrechtsaktivistin aus Köln sich hernach ausdrückte.

Suh Joon-sik saß 17 Jahre im Gefängnis. Nach seiner Freilassung wurde er Vorsitzender der Seouler Menschenrechtsgruppe Sarangbang, die seit 1993 täglich Menschenrechtsberichte verfaßt und weltweit verbreitet, ferner Seminare dazu organisiert und für Schulen Lehrmaterial zusammenstellt. Das zweite „Sarangbang Human Rights Festival“ mußte auf Druck der Behörden erst aus der Myung- Dong-Kathedrale in die Universität Hong Ik ausweichen, dann wurden es auch von dort vertrieben. Als die Veranstalter nicht aufgaben und mit einem Generator von Vorführplatz zu Vorführplatz zogen, verhaftete die Polizei einige studentische Mitorganisatoren, so daß Suh Joon- sik das Festival einen Tag früher als geplant abbrechen mußte, um ihre Freilassung zu erreichen. Seit dem 5. November sitzt er nun selbst in Haft.

Der Verband demokratischer Rechtsanwälte hat sich bereit erklärt, ihn zu verteidigen. Außerdem wird der „feindbegünstigende“ Film jetzt überall im Land von „Human Rights“-Aktivisten, politischen Initiativen und kulturellen sowie kirchlichen Basisorganisationen gezeigt. Auf der „Berlinale 1998“ wird man ihn ebenfalls vorführen. Hintergrund für „Red Hunt“ ist ein Volksaufstand auf der Insel Cheje-Do 1948, der sich gegen die Teilung Koreas und die von Amerika gelenkte Präsidentenwahl richtete: Bis 1949 töteten amerikanische und südkoreanische Soldaten daraufhin 86.000 Inselbewohner. Über dieses antikommunistische Massaker gibt es bereits zwei koreanische Filme, der neue – „Red Hunt“ – wird von der Filmkritik als „am objektivsten“ beurteilt. Helmut Höge