Ozon weiter vor Gericht

■ Die Straßenverkehrsordnung ist nicht für die Gesundheit zuständig, entscheidet Verwaltungsgericht Hessen Klaus-Peter Klingelschmitt

Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) – Das Land Hessen ist nicht verpflichtet, schon bei Ozonkonzentrationen unterhalb des Grenzwertes im Bundesimmissionsschutzgesetz (BimschG) von 240 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft Verkehrsbeschränkungen anzuordnen. Das hat der 14. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes (VGH) gestern entschieden. Er wies damit die Klage des 8jährigen Jan S. und seiner Mutter zurück, die vom Land Tempobeschränkungen und Fahrverbote schon bei 120 Mikrogramm Ozon verlangt hatten.

Jan S. aus der Frankfurter Innenstadt leidet an Allergien, Neurodermitis und spastischer Bronchitis. Die Straßenverkehrsordnung, so die Kläger, verpflichte Hessen, die Bevölkerung vor gesundheitlichen Schäden zu schützen. Das sah auch das Verwaltungsgericht in Frankfurt so. Im Mai 1996 urteilten die Richter, daß das Land verpflichtet sei, die Anträge von Jan S. und seiner Mutter „unter Beachtung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts“ neu zu bescheiden. Gegen dieses Urteil hatte das von SPD und Bündnisgrünen regierte Land Berufung beim VGH eingelegt. Der VGH hob die Entscheidung der ersten Instanz auf. Aus der Straßenverkehrsordnung ließen sich keine Ansprüche auf Verkehrsbeschränkungen ableiten. Denn bei der Ozonbelastung der Luft handele es sich um „großräumige Immissionen“. Und die könnten nicht durch die Bestimmungen der Straßenverkehrsordung, die sich auf kleinere Gebiete – in diesem Fall die Innenstadt von Frankfurt – beschränkten, bewältigt werden. Deshalb sei der „systemgerechte Rahmen“ nur die vom Bund vorgenommene Regelung über Verkehrsverbote bei erhöhten Ozonkonzentrationen im BimschG. Grenzwert: 240 Mikrogramm. Dennoch hat der Senat am VGH- Hessen die Revison am Bundesverwaltungsgericht zugelassen – wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache.

Aus Sicht des VGH-Hessen bestehen nämlich „erhebliche Zweifel an der Geeignetheit und Wirksamkeit“ der Grenzwertregelung im BimschG. Trotz hoher Ozonkonzentrationen auch in den vergangenen zwei Jahren seien keine Fahrverbote nach den seit 1995 geltenden Regelungen zum Ozonalarm angeordnet worden. Diese Fahrverbote, so der Senat, wären wegen der zahlreichen Ausnahmeregelungen ohnehin nur „wenig effektiv“. Dennoch sei der Grenzwert von 240 Mikrogramm „nicht offensichtlich ungeeignet“, die Bevölkerung vor Ozonbelastungen zu schützen. Das Bundesverfassungsgericht hat schon zwei mal festgestellt, daß der Gesetzgeber über einen „weiten Einschätzungs- und Wertungsspielraum“ verfüge.