Hitler-Kopf beschlagnahmt

■ Ein Bremer Auktionshaus bot eine "Führer"-Büste von Arno Breker an. Da kam der Staatsanwalt. "Ich wollte zur Kontroverse um den Künstler beitragen", sagt der Auktionator. "Solche Angebote gibt es schon seit 20 Ja

Bremen (taz) – „Neuer Katalog“ steht in großen schwarzen Buchstaben auf dem Papierschild, das im Schaufenster des Bremer Auktionshauses Bolland & Marotz steht. Der Katalog wirbt anläßlich einer Versteigerung am 5. und 6. Dezember mit einem ganzseitigen Foto für ein Angebot, das es in sich hat: Unter der Nummer 501 bieten die Auktionatoren eine Bronzebüste von Adolf Hitler für 13.000 Mark zum Verkauf an. Der Kopf aus dem Jahr 1937, von dem es nur zwei Exemplare gibt, stammt von Hitlers Hofbildhauer Arno Breker (1900 bis 1991) und stand vermutlich in der Berliner Reichskanzlei. Die Bremer Staatsanwaltschaft hat die Büste jetzt beschlagnahmt und ermittelt wegen der verbotenen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Außerdem sollen die Herkunft und die Eigentumsverhältnisse der Büste geklärt werden. Mit seinen Bronzeplastiken „Der Zehnkämpfer“ und „Die Siegerin“ für die Olympischen Spiele in Berlin avancierte Breker 1936 zum Lieblingsbildhauer Hitlers. Er modellierte Büsten des „Führers“ und anderer NS-Politiker. An zahlreichen nationalsozialistischen Bauten legte er Hand an.

Die Frage, warum er den Hitler- Kopf verkaufen will, versteht Auktionator Jörn Marotz nicht so recht. Solche Angebote würden bei den deutschen Auktionshäusern schon seit 20 Jahren einen „breiten Raum“ einnehmen, sagt der Inhaber des Auktionshauses, das sich in einer Hochglanzbroschüre vor allem Rechtsanwälten, Steuerberatern, karitativen Einrichtungen und Erbengemeinschaften empfiehlt. „Wir handeln nicht mit Waffen und Orden“, betont Marotz, der 1945 geboren ist. „Ich spiele für Sie jetzt nicht den Altnazi.“ Nazi-Devotionalien habe er bislang stets abgelehnt. Auch als ihm kürzlich von einem Kunden aus Norddeutschland die Hitler-Büste angeboten worden sei, habe er gezögert. „Mein Herz hängt da weiß Gott nicht dran. Aber die Kontroverse um den Künstler Breker geht schon seit 50 Jahren, und ich wollte einen Beitrag dazu leisten. Vielleicht ist das nicht der richtige Zeitpunkt. Vielleicht ist das ein zu mutiger Schritt“, sagt der Kaufmann und flicht ein, daß er schon als Zwölfjähriger die Auschwitz-Protokolle gelesen habe. „Mich quälen solche Dinge auch, aber mich quält auch, daß wir das so ausklammern.“ Woher seine Kunden die Büste haben, wisse er nicht.

In der Branche gilt Marotz als einer, dem Geld wichtiger ist als die Moral. Mehr als einmal geriet das Bremer Auktionshaus ins Kreuzfeuer der Kritik. So berichtete das Kunstmagazin art, daß Marotz im Sommer 1993 für 1,3 Millionen Mark ein Bild des flämischen Malers Roelant Savery verkaufte. Das Bild wurde vermutlich zwischen 1943 und 1945 von Offizieren einer SS-Panzerdivision in Holland aus Privatbesitz gestohlen. Einen Tag vor der Auktion baten die deutsche Botschaft in Den Haag und das niederländische Außenministerium Marotz darum, bei der Auktion auf die ungeklärten Eigentumsverhältnisse hinzuweisen – was Marotz laut art versprach, aber nicht hielt. Der Museumschef des Mauritshuis in Den Haag wollte das Bild für 1,25 Mio. Mark zurückkaufen. Doch anstatt das Bild dem Museum zu verkaufen, erteilte Marotz den Zuschlag einer Österreicherin, die ihr Angebot von 1,3 Mio. Mark anonym und per Telefon übermittelte (art Okt. 1994/10). „Alles gelogen“, wehrt sich Marotz. „Die Geschichte wurde lanciert, um mich zu diffamieren.“ Die Erbengemeinschaft und die Käuferin hätten sich längst verglichen, betont er.

Auch daß sein Auktionshaus 1990 nach Angaben des Buchautors Günter Blutke an dem Verkauf des Gemäldes „Landschaft in Potsdam“ von Eduard Gaertner beteiligt gewesen sein soll, bestreitet Marotz. Das Bild wurde im Zuge der systematischen Ausplünderung von privaten Kunstsammlungen in der DDR verscherbelt, um mit dem staatlichen Export von Kunstwerken Devisen zu beschaffen.

Marotz sieht sich als Opfer von „Mitbewerbern“, die „neidisch“ auf seinen Erfolg seien. Daß das Foto im Katalog „zu groß geraten“ ist und Neonazis anlocken könnte, räumt Marotz hingegen ein. „Das ist wirklich dumm gelaufen. Eine Viertelseite hätte auch gereicht.“ Kerstin Schneider