Orchideen für den Finanzminister

Ostdeutsche Naturschutzgebiete werden privatisiert. Während Finanzminister Waigel kassiert, müssen die Länder Ausgleichszahlungen an die Besitzer leisten  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – Finanzminister Theo Waigel verkauft sogar Seeadlerhorste und Orchideenwiesen. Die Treuhandnachfolgegesellschaft BVVG (Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH), die für die Vermarktung von Wäldern und Feldern zuständig ist, hat bereits einige Flächen in ostdeutschen Naturschutzgebieten privatisiert. Weitere ökologisch wertvolle Feuchtwiesen, Moore und Wälder sind im Angebot – und das, obwohl die Flächenerwerbsverordnung den Verkauf derartiger Gebiete eigentlich verbietet. Das sagte gestern der Präsident des Naturschutzbundes (Nabu), Jochen Flasbarth, in Berlin.

Klar ist, daß die neuen Eigentümer diese Ländereien nicht oder nur sehr beschränkt wirtschaftlich nutzen dürfen. Dennoch kann sich der Kauf für sie innerhalb von kurzer Zeit amortisieren: Denn für die Naturschutzauflagen gibt es Geld – allerdings aus der Steuerkasse des betroffenen Bundeslandes.

Wer zum Beispiel seine Feuchtwiese nicht düngen darf, erhält dafür in Brandenburg 300 Mark pro Hektar. Auch der verspätete Mähzeitpunkt wird mit 100 Mark vergolten. Und der Verzicht auf eine Entwässerung bringt noch einmal 200 Mark pro Jahr. Summa summarum: 600 Mark im Jahr aus Brandenburgs Haushaltskasse. Auf der anderen Seite hat Theo Waigel kaum mehr als 400 Mark eingenommen – denn Alteigentümer, deren ursprünglicher Landbesitz oft ganz woanders lag, bekommen das Land billig, da sie begünstigt sind. Fast ausschließlich Fürsten, Grafen und andere Adlige haben die schon veräußerten 5.372 Hektar Naturschutzgebiet in Besitz genommen. Andere Interessenten wie Umweltverbände müssen dagegen als Nichtbegünstigte den zehnfachen Preis zahlen, hat der Nabu herausgefunden.

Die BVVG könnte das Problem ganz einfach dadurch umgehen, indem sie beim Verkauf ins Grundbuch eine „dringliche Sicherung“ eintragen läßt, argumentiert der Nabu. Doch nach seiner Information hat die BVVG genau das bisher jedes Mal abgelehnt. „Und sie begründet es damit, daß die künftigen Eigentümer damit um ihre Rechte auf Ausgleichszahlungen betrogen würden“, empört sich Michael Succow, Nabu-Vizechef und Träger des alternativen Nobelpreises. Erste Fälle von Entschädigungsforderungen wurden inzwischen bekannt: So will ein Eigentümer von 3,4 Hektar Wald im Biosphärenreservat Schorfheide- Chorin, die er gerade rückübertragen bekommen hat, 969 Mark im Jahr von der Landesregierung in Potsdam haben. Doch die BVVG hätte auch andere Möglichkeiten gehabt, das heikle Thema aus der Welt zu schaffen: Mehrere Landesregierungen sollen ihr wirtschaftlich nutzbare Wälder als Ausgleich für die Naturschutzflächen im Bundesbesitz angeboten haben. „Doch die BVVG war dazu in keinem uns bekannten Fall bereit“, so Succow.

Die BVVG reagierte gestern mit einer empörten Pressemitteilung. „Als Desinformation und Intrigenspiel bezeichnete Franz Ludwig Graf Stauffenberg, Geschäftsführer der BVVG, die jüngsten Angriffe des Nabu und einiger Publizisten“, heißt es darin. Die Unterstellungen gegenüber der Bundesregierung und der BVVG seien „polemisch“. Konkreter wird das Papier allerdings nicht. Doch am Freitag will die BVVG ihre Sicht der Dinge darstellen.