Auch Zivis kosten Geld – und nicht zu knapp

■ Die Wohlfahrtsverbände drücken sich um die Diskussion: Was wird, wenn's keine Zivis mehr gibt? Zivis können durch Hauptamtliche ersetzt werden, wenn der Bund will

Zivis nehmen Arbeitsplätze weg. Obwohl im Zivildienstgesetz steht, daß die Jobs der Zwangsdienstler zusätzlicher Natur sein müssen, ist das oft nicht der Fall. Gäbe es keine Zivis, müßten viele der Jobs durch reguläre Arbeitskräfte ersetzt werden – kein Schreckensszenario, findet Jürgen Blandow, Vorsitzender des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in Bremen.

Das Ersetzen wäre eigentlich kein großes Problem, sagt Blandow. Denn wenn man alle Kosten des Zivildienstes zusammenrechnet, würden tarifliche Mitarbeiter nicht mehr kosten als Zivis. „Daß Zivis arbeitsmarktneutral sind, ist ein Mythos“, sagt Blandow, der auch Professor am „Institut für lokale Sozialpolitik und Non-Profit-Organisationen“der Uni Bremen ist. Schon nach kurzer Einarbeitungszeit würden die Zivis reguläre Arbeitsplätze besetzen. Seine volkswirtschaftliche Rechnung: Ein Zivi kostet 33.000 Mark im Jahr. Würden die 2,3 Milliarden Mark, die das Bundesamt pro Jahr für die Organisation des Zivildienstwesens ausgibt, an die Arbeitgeber der Zivis gehen, könnten dort die gleichen Jobs durch Festangestellte gemacht werden – ohne, daß die Arbeitgeber draufzahlen müßten. „Daß die Zivis nicht arbeitsmarktneutral sind, ist ein offenes Geheimnis: Jeder weiß es, aber die Diskussion darüber wird unterdrückt“, meint Blandow.

Auch für Ulrich Finkh, Vorsitzender der „Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen“in Bremen, ist klar: „Zivis sind nicht billig, sondern hochsubventioniert“. Durchschnittlich ein Drittel der Kosten trage die Dienststelle, zwei Drittel das Bundesamt. Dabei leisten drei Zivis durchschnittlich so viel wie zwei reguläre Arbeitskräfte, schätzt Finkh. Durch den Wegfall des Zivildienstes könnten nach dieser Rechnung 90.000 Jobs geschaffen werden.

„Solche Rechenmodelle können sie natürlich machen“, sagt Rüdiger Löhle vom Bundesamt in Köln. Daß sie realistisch sind, daran kann er schon aus Selbsterhaltungstrieb nicht glauben. Denn mit dem Ende des Zivildienstes verlöre er natürlich seinen Job. Eine Modellrechnung, was durch den Einsatz von hauptamtlichen Mitarbeitern anstelle der Gewissensgründler gespart werden könnte, hat es in seinem Haus noch nicht gegeben. Löhle: „Das wäre albern.“

Wie die Produktivität der jungen Männer zu berechnen ist, darüber gehen die Meinungen letztlich weit auseinander. Beim größten Arbeitgeber für Zivis in Bremen, dem ASB, ist man nicht überzeugt, daß Zivis so viel arbeiten, während es beim DRK heißt, daß die Jungs fast genauso produktiv sind wie Hauptamtliche. Die Referatsleiterin für Zivildienst der AWO, Elke Rohdenburg, macht die Produktivität von der Tätigkeit abhängig. Doch Einigkeit herrscht wohl über ihre Kernaussage: „Die Arbeitsmarktneutralität der Zivis steht nur auf dem Papier.“

„Abgesehen von den Verweigerer-Organisationen hat niemand ein Interesse an dieser Diskussion“, meint Professor Blandow. Denn die Wohlfahrtsverbände würden die Zivis mindestens kostenneutral einsetzen – manchmal würden sie auch an ihnen verdienen. Doch die Diskussion darüber hält er für überfällig. Denn würde die Bundeswehr durch einen politischen Beschluß in eine Berufsarmee umgewandelt, stünden die Organisationen schnell vor einem Desaster. Die Verbände müßten sich so schnell wie möglich auf diesen Tag vorbereiten – sonst drohe Chaos und Unterbezahlung. Christoph Dowe