IG Metall ringt um neuen Kurs

■ Zwickel erteilt den Arbeitgebervorschlägen zur Reform des Flächentarifvertrags eine Absage. Kritik an IGM-Vize Riester

Darmstadt (taz) – Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Metall (IGM), Klaus Zwickel, hat die Vorschläge der Metallarbeitgeber zur Reform des Flächentarifvertrags gestern in allen wesentlichen Punkten scharf zurückgewiesen. So werde seine Gewerkschaft den von den Arbeitgebern geforderten Arbeitszeitkorridor von 30 bis 40 Wochenstunden „nicht zulassen“. Im Kern laufe dieser Vorschlag auf eine „Rückkehr zur 40-Stunden-Woche auf dem Schleichweg“ hinaus. Mit einem solchen Kurs, so Zwickel wörtlich, „würde die Arbeitslosigkeit erhöht und der Flächentarifvertrag zerstört“. Das Ziel der Arbeitgeber sei es, über die Entwertung der Flächentarifverträge „die Gewerkschaften aus dem Prozeß der Festsetzung von Entlohnungs- und Arbeitsbedingungen wenn möglich völlig herauszuhalten“.

Die Arbeitgeber hatten ihr Konzept am Montag vorgestellt und die Erwartung geäußert, noch in diesem Jahr darüber die Verhandlungen mit der IGM zu beginnen. Neben der Arbeitszeitdauer sollen die Betriebsparteien nach dem Arbeitgeberkonzept auch das Recht bekommen, über verschiedene Einkommensanteile wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld abseits vom Flächentarifvertrag zu entscheiden.

Welchen Weg die IG Metall bei der Reform des Flächentarifvertrags endgültig beschreiten wird, soll mit der betrieblichen Basis während des dreitägigen Kongresses in Darmstadt intensiv diskutiert werden. Dabei wurden schon gestern erhebliche Differenzen deutlich. Vielen Funktionären aus Betrieben und Verwaltungsstellen gehen vor allem die Vorstellungen des 2. Vorsitzenden der IG Metall, Walter Riester, viel zu weit. Ihm schwebt vor, die betrieblichen Gestaltungsmöglichkeiten des Flächentarifvertrags durch tariflich eröffnete Wahlmöglichkeiten und tarifliche Bausteine zu erhöhen. Davon erwartet Riester paßgenaue Lösungen bei gleichzeitiger Sicherung der für alle geltenden Mindestbedingungen. Darüber hinaus wird in der IG Metall über „Zusatztarifverträge“ als betriebliche Ergänzung zum Flächentarifvertrag diskutiert.

Auch Zwickel sprach gestern zwar von der Bereitschaft der gesamten IG Metall, den Betrieben künftig „mehr Gestaltungsmöglichkeiten“ zu eröffnen, „um die Geltung und Reichweite von Tarifverträgen zu vergrößern“, aber während seines Grundsatzreferats war seine Skepsis allen Flexibilisierungsbemühungen gegenüber deutlich zu spüren. Zwickel plädierte für einen „gründlichen“ Abwägungsprozeß, denn „sonst könnten wir leicht übersehen, daß es am Ende doch besser ist, den Flächentarifvertrag mit aller Macht zu erhalten und zu verteidigen“, als auf neue betriebsnahe „Strukturmodelle“ zu setzen. Gerade in Bereichen mit schwachem Organisationsgrad, so Zwickels Befürchtung, könnten die neuen Modelle die Situation noch verschlimmern und „zu Lasten der Beschäftigten erst vollends durchschlagen“. Walter Jakobs