Nach dem Massaker von Luxor dürfen Ägyptenreisende kostenlos umbuchen oder stornieren. Die Reiseveranstalter stört das wenig. Zwischen Karibik und Kanaren haben sie in ihren Prospekten genügend Ziele an der Sonne im Angebot. Aber die ägypti

Nach dem Massaker von Luxor dürfen Ägyptenreisende kostenlos umbuchen oder stornieren. Die Reiseveranstalter stört das wenig. Zwischen Karibik und Kanaren haben sie in ihren Prospekten genügend Ziele an der Sonne im Angebot. Aber die ägyptische Wirtschaft wird schwer geschädigt. Die Tourismusindustrie ist bisher die zweitwichtigste Einnahmequelle des Landes nach dem Erdölexport. 1996 füllten Urlauber die Staatskasse mit drei Milliarden US-Dollar. Damit wird jetzt Schluß sein.

Die Mörder haben ihr Ziel erreicht

Julia D. würde trotz allem nach Ägypten fahren. Der jüngste Anschlag auf einen Touristenbus in der Nähe von Luxor, bei dem mehr als 60 Menschen ums Leben kamen, schreckt sie nicht. „Die haben es auf ausgewiesene Touristengruppen abgesehen“, weiß sie. Als alleinreisende Individualtouristin fühlt sie sich geschützt. Ähnlich sieht es Thomas N. Er tritt seine geplante Ägyptenreise trotz des Anschlags an. Sein schlagendes Argument: „So billig waren die Flüge noch nie!“ Beide sind sicherlich Ausnahmen. Auch die fünf Studiosus-Gruppen, die gerade auf Tour in Ägypten sind. Sie haben nach Aussagen des Pressesprechers des Münchner Reiseveranstalters Klaus Dietsch das Angebot abgelehnt, sofort nach Deutschland zurückzufliegen. Ein Argument: „Jetzt wird es erst richtig spannend hier.“ Studiosus hat vorläufig alle geplanten Ägyptenreisen aus dem Programm genommen.

Das Stornoangebot der Veranstalter für Ägyptenreisen stößt auf lebhaftes Interesse. Eine Maschine der Aero Lloyd flog gestern morgen fast leer nach Luxor, wie Aero- Lloyd-Sprecher Asger Schubert in Frankfurt/Main mitteilte. Zwei dafür gebuchte Gruppen hätten am Vorabend storniert. „Die Maschinen fliegen weitgehend leer runter und kommen ausgebucht zurück“, sagte er. Es werde geprüft, ob zusätzliche Flüge für die Rückkehrer eingesetzt werden könnten. Der Deutsche Reisebüroverband erklärte, notfalls werde Ägypten ganz aus dem Programm gestrichen. Aero Lloyd, der nach eigenen Angaben mit rund 30 Flügen größte Ägyptenanbieter unter den Ferienfluggesellschaften, strich gestern einen Flug von Frankfurt nach Luxor. Bereits am Montag hat es größere Stornierungen gegeben, gestern ging es richtig los. Entsprechend änderte sich auch das Angebot an Flügen: „Der Flugplan kullert von Stunde zu Stunde“, so der Aero-Loyd-Sprecher.

Der Geschäftsführer des Reisebüroverbandes, Leonhard Reeb, sowie TUI und NUR-Reisen bekräftigten die kostenlose Rücktrittsmöglichkeit für Ägyptenreisen. Sie könnten sowohl „frei umgebucht werden auf andere Programme der Unternehmen als auch kostenfrei storniert werden“. Das Auswärtige Amt in Bonn hat bislang keine Reisewarnung für Ägypten ausgesprochen. In einem Hinweis zur Sicherheitsgefährdung wird allerdings auf die kritische Lage in Oberägypten hingewiesen.

Der Anschlag hat das Land empfindlich getroffen. Tourismus ist nach dem Erdölexport der zweitwichtigste Wirtschaftsfaktor. 1996 betrugen die Staatseinnahmen aus dem Tourismusgeschäft drei Milliarden US-Dollar, Tendenz steigend. Letztes Jahr besuchten nach Verbandsangaben 437.000 Menschen aus der Bundesrepublik das Land am Nil, das entspricht einer Steigerungsrate von 38 Prozent gegenüber 1995. Schon 1995 hatten Anschläge auf Touristen zu einem starken Rückgang der Besucherzahlen geführt.

Die Islamisten haben den Zeitpunkt gut gewählt. Gerade in der vorweihnachtlichen Hauptsaison „hätte das Ganze ungünstiger gar nicht kommen können“, sagte Reeb. Doch während Anschläge wie dieser für die Reiseveranstalter ein kalkulierbares Risiko sind, bedeuten sie für die ägyptische Wirtschaft ein Fiasko. Die Veranstalter buchen die Urlauberströme zu anderen sonnigen Zielen zwischen den Kanaren und der Karibik um. Nur die Ägypter – vom Souvenirhändler bis zum Hotelier – bleiben auf ihren Angeboten sitzen. Die Attentäter haben damit ihr Ziel erreicht: die Wirtschaft Ägyptens nachhaltig zu schädigen. Edith Kresta