„Keine geeigneten Heimreisedokumente“

■ Flüchtlingsrat fordert Abschiebestopp für Asylbewerber aus Liberia und Sierra Leone

Einen Abschiebestopp für Flüchtlinge aus Sierra Leone und Liberia fordert der Flüchtlingsrat Hamburg vom Senat. Bei der nächsten Bundesinnenministerkonferenz am 18./19. Mai solle die Hansestadt für einen „bundesweiten Abschiebestopp für Bürgerkriegsflüchtlinge eintreten“. Trotz der seit mehreren Jahren herrschenden Bürgerkriege in den beiden westafrikanischen Ländern bekommt kaum ein Flüchtling Asyl oder ein Aufenthaltsrecht in der BRD. In Hamburg wurden von mehr als 500 Asylbewerbern aus Liberia und Sierra Leone weniger als zehn anerkannt. Die Kriege und die Situation der Flüchtlinge werden von den Medien kaum wahrgenommen: „Praktisch gibt es keine Öffentlichkeit“, moniert Ulrike Vollmer vom Flüchtlingsrat Hamburg.

Mit der Abschiebestopp-Initiative will der Flüchtlingsrat die ungesicherte Situation der nur geduldeten WestafrikanerInnen beenden. Den zu neunzig Prozent minderjährigen, männlichen Flüchtlingen müsse eine Aufenthaltsbefugnis von mindestens zwei Jahren gewährt werden, so Ulrike Vollmer, um ihnen eine „menschenwürdige Perspektive und eine Lebensplanung“ zu ermöglichen. Denkbar wäre es, den Geflohenen den Status von Bürgerkriegsflüchtlingen zuzuerkennen, wie es mit EmigrantInnen aus Afghanistan bereits geschehen ist.

Doch die Behördenpraxis in Hamburg sieht anders aus: Im vorigen Monat habe das Hamburger Verwaltungsgericht, so Rechtsanwältin Erna Hepp die Ablehnung eines Asylsuchenden aus Sierra Leone damit begründet, daß „die Flucht des Jugendlichen nach der Ermordung seiner Eltern jeglicher Lebenserfahrung widerspreche“. Er hätte sich an Verwandte wenden müssen. Für Ulrike Vollmer ein Beleg dafür, daß Bürgerkriegsflüchtlinge aus Westafrika mit einer Mischung aus „ignoranter Gleichgültigkeit und Rassismus“ von den Behörden bedacht würden.

Zu einer Stellungnahme läßt sich Jörg Klussmann, zuständig für Grundsatzangelegenheiten des Ausländerrechts in der Hamburger Innenbehörde, von der taz nicht bewegen. Klussmann: „Es liegt dem Senat eine Kleine Anfrage der GAL zu diesem Themenkomplex vor, die nächste Woche beantwortet wird.“ Dem wolle er nicht vorgreifen. Zur Zeit stehen nach Angaben von Klussmann aus „organisatorischen und formalen Gründen“ jedoch „keine Abschiebungen an“. Aber nur, weil keine Abschiebung möglich sei. So landet in der liberianischen Hauptstadt Freetown bis auf weiteres kein reguläres Flugzeug. Bis September werden liberianische Flüchtlinge deshalb erstmal geduldet. Nach Sierra Leone könne zur Zeit auch niemand zurückgeschickt werden, denn die staatliche Vertretung Sierra Leones stelle, so Klussmann, „keine geeigneten Heimreisedokumente aus“.

Markus Götte