Nachgefragt
: Bremen: Quote ändern

■ Interview mit Waldemar Klieschies

In der Gesellschaft gibt es weiterhin „Vorurteile und stereotypen Vorstellungen“, die Frauen an einer Karriere im Berufsleben hindern und eine Frauenquote nötig machen. So steht es in dem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Frauenquote, das das nordrhein-westfälisches Gleichstellungsgesetz bestätigt. Vor zwei Jahren war das bremische Gleichstellungsgesetz vor dem EuGH als nicht EU-konform gescheitert, weil es – anders als das NRW-Gesetz – keine Härtefallregelung kennt. Damals hatte der Gartenbauingenieur Eckard Kalanke geklagt, weil aufgrund der Quotenregelung im Bremer Gleichstellungsgesetz seine Kollegin Heike Glißmann bei der Beförderung bevorzugt worden war. Die Stelle im Gartenbauamt mußte nach dem EuGH-Urteil neu ausgeschrieben werden. Wir befragten Waldemar Klieschies, der im Fall Kalanke der Anwalt von Glißmann ist.

taz: Was genau bedeutet eine Härtefallklausel in einem Landesgleichstellungs-Gesetz?

Ich nenne ein Bespiel für eine Härtefallklausel: Nehmen wir mal an, der Mann ist Vater von drei Kindern und hat eine zu unterhaltenden Frau. Dann würde man sagen: Unter sozialen Aspekten scheint es hier angemessen zu sein, ihm vor einer Frau den Vorzug zu geben.

Bevorzugt die Härtefallregelung jetzt wieder die Einstellung und Beförderung von Männern?

Nein, die sozialen Aspekte sind nur Hilfskriterien. Zunächst muß gesehen werden, wer ist der Beste? Und wenn man sagt: Ja, hier sind zwei oder drei gleich gut, dann kommen erst soziale Aspekte als Hilfskriterien zum Tragen. Es ist also nicht so, daß eine Frau in jedem Falle den Vorrang hat.

Und wenn Mann und Frau jeweils gleich qualifiziert sind?

Nur wenn sie beide gleich gut sind, dann wird gesagt: Hier gibt es viel weniger Frauen, denn Frauen sind bei uns benachteiligt in der Gesellschaft und im öffentlichen Dienst. Deshalb haben Frauen dann Vorrang, wenn beide Bewerber gleich berechtigt sind. Es sei denn, daß der Mannes ganz gewichtige soziale Gründe vorbringt. Dann würde man sagen: o.k.

Wird das Bremer Gleichstellungsgesetz jetzt mit einer Härtefallregel nachgerüstet?

Davon gehe ich aus.

Wie lange wird das dauern, bis die Härtefallregelung hier über die Bürgerschaft eingeführt wird?

Ich hoffe, daß das so schnell wie möglich in die Gänge kommt. Ich nehme an, daß die Senatorin für Frauen den Vorschlag jetzt sehr bald einbringt in den Senat. Und der Senat trägt das in die Bürgerschaft. Und die Bürgerschaft, hoffe und erwarte ich, wird die Härtefallregel entsprechend beschließen. Das kann aber ein paar Monate dauern.

Wie steht es jetzt um den Fall Kalanke? Wird die Härtefallregel dort rückwirkend irgendetwas ändern?

Im Fall Kalanke, der jetzt immer noch läuft, geht es um die Frage: Wer ist der Bessere? So daß sich inzwischen die Frage der Gleichstellungsgesetzes da gar nicht stellt.

Aber das war doch der Fall, der wegen der Frauenquote bis vor den EuGH ging?

Ja, aber dann ist der Fall wieder zurückgekommen. Dann hat die Dienststelle nochmal geprüft: Wer ist der Bessere? Sie sind zu der Entscheidung gekommen, die Frau ist die Bessere. Aber da spielte das Gleichstellungsgesetz keine Rolle, es ging nur um Qualifikation. Das ist ein Prozeß, wie er tausendfach vorkommt. Der ist jetzt beim Landesarbeitsgericht. susa