Hinterbliebene aus Srebrenica klagen Rotes Kreuz an

■ 2.000 Frauen demonstrieren im Zentrum von Sarajevo für die Freilassung von Gefangenen

Sarajevo (taz) – 2.000 Frauen aus Srebrenica haben gestern bei einer Demonstration im Zentrum von Sarajevo die sofortige Freilassung von drei ehemaligen Mitbürgern gefordert. Die Männer waren 300 Tage nach dem Fall der Stadt durch die Wälder geirrt und dann an die serbische Polizei ausgeliefert worden. Im Sommer letzten Jahres durch eine US-amerikanische Militärstreife aufgegriffen, wurden Ahmo Habras, Nedzad Hasić und Behrudin Husić von den SFOR-Soldaten sofort an die Polizei der Republika Srpska übergeben. Seither sitzen die zu je 20 Jahren Gefängnis Verurteilten in serbischer Haft. Sie hätten serbische Zivilisten ermordet, lautete die Anklage. Nach Aussagen von Beobachtern hatten die Angeklagten bei diesem Schauprozeß keine Chance, sich angemessen zu verteidigen.

Scharfe Kritik übten die Demonstrierenden auch am Verhalten des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes. Die Organisation habe „alle Vermißten für tot erklärt, auch wenn die Beweise dafür noch nicht vorliegen“, erklärten Sprecherinnen der Srebrenica- Frauen. Sie gehen davon aus, daß sowohl in Serbien als auch in der Republika Srpska in Bosnien-Herzegowina immer noch Überlebende als Sklavenarbeiter in Minen und beim Holzfällen eingesetzt würden. Sie fordern von den internationalen Institutionen, dem Schicksal der Betroffenen nachzugehen. Erst kürzlich wurde bekannt, daß einige Dutzend Kinder aus Srebrenica in serbischen Kinderheimen leben. Die Hoffnungen der Demonstrantinnen gründen sich auf Lebenszeichen, die einzelne Frauen von Verwandten erhalten haben wollen. Sprecher der Gesellschaft für bedrohte Völker warfen den internationalen Organisationen vor, nicht alles getan zu haben, um die Schicksale der Verschwundenen aufzuklären. Die Frauen übergaben Petitionen an das Büro des Hohen Repräsentanten und die US-amerikanische Botschaft in Sarajevo. Erich Rathfelder