Milderes Urteil gegen Woodward

US-Richter in Boston revidiert im Gerichtsverfahren gegen ein britisches Au-pair-Mädchen den ersten Spruch der Geschworenen und entscheidet auf Totschlag, nicht mehr auf Mord

Boston (AFP/AP) – Dem britischen Au-pair-Mädchen Louise Woodward wird eine lebenslange Gefängnisstrafe erspart bleiben. Ein Richter in Cambridge im US- Bundesstaat Massachusetts wandelte gestern die Verurteilung der 19jährigen wegen Mordes an einem acht Monate alten Säugling in eine Verurteilung wegen Totschlags um. Durch diese Entscheidung von Richter Hiller Zobel könnte Woodward unter Berücksichtigung der Untersuchungshaft sofort auf Bewährung freikommen. Das genaue Strafmaß war zum Redaktionsschluß noch nicht bekannt.

Ein Geschworenengericht hatte die junge Britin am 31. Oktober für schuldig befunden, den acht Monate alten Matthew Earppen getötet zu haben, indem sie den ihr anvertrauten Säugling bis zur Bewußtlosigkeit schüttelte. Das Urteil der Geschworenen lautete auf Mord in einem minderschweren Fall, was in Massachusetts mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe geahndet wird. Frühestens nach 15 Jahren hätte Woodward Aussicht auf eine Begnadigung gehabt.

Für die meisten Prozeßbeobachter war das Urteil überraschend gekommen, da die Verteidigung während der Verhandlung begründete Einwände gegen den Vorwurf der Staatsanwaltschaft vorgebracht hatte. Nach Ansicht der Verteidiger hatte sich das Kind seine Kopfverletzungen schon zwei Wochen vor diesem Unfall bei einem Sturz zugezogen. Woodward hatte ausgesagt, sie habe das Kind bewußtlos in seiner Wiege gefunden. Matthews Eltern, beides Ärzte, wurde im Prozeß vorgeworfen, sie hätten den Jungen und seine zweieinhalbjährige Schwester zugunsten ihrer Karriere vernachlässigt.

In Großbritannien hatte das Urteil gegen Woodward zu einem Sturm der Empörung geführt. Tagelang berichteten die britischen Medien auf ihren Titelseiten über den Fall. In Woodwards südenglischen Heimatort Elton gründete sich eine Kampagne „Gerechtigkeit für Louise Woodward“.

Richter Hiller Zobel hatte vor der neuerlichen Entscheidung für Aufsehen gesorgt, als er ankündigte, sein Urteil per Internet bekanntgeben zu wollen. Angeblich, weil er ob des regen öffentlichen Interesses Tumulte befürchte und um die Sicherheit der Gerichtsbeamten bangte, wollte er das Urteil per E-Mail an bestimmte Medien schicken und ins Internet einspeisen. Die Website der US-Juristenzeitschrift Lawyers Weekly (http:// www.lawyersweekly.com), auf der das Urteil erscheinen sollte, war schon Tage vor dem Urteil wegen Überlastung nicht mehr zu erreichen.

Auch die Unterstützerkampagne aus Großbritannien war mit einer eigenen Homepage im Internet vertreten (http://www.louise woodward.com) – und ebenso überbelegt.