■ Journalistenprozeß
: Strafverfahren gegen Maußhardt eingestellt

Die Anklage lautete: Beleidigung und üble Nachrede des Regierungspräsidenten. Angeklagt war der Journalist Philipp Maußhardt (ehemals taz, nun Abendzeitung). Im März 1995 hatte Maußhardt für ein kleines Tübinger Wochenblatt einen kurzen Text mit der Überschrift „Mafiose Strukturen“ geschrieben. Anlaß war der Einspruch eines Bürgers gegen die Oberbürgermeisterwahl in Reutlingen, den er rechtzeitig beim Tübinger Regierungspräsidium abgegeben haben will. Die Behörde dagegen erklärte, sein Schreiben sei verspätet eingegangen und somit ungültig. Der Vorgang ist bis heute nicht ermittelt. Maußhardt schrieb in seiner Glosse, der CDU-Regierungspräsident habe entscheiden lassen, der Brief sei zu spät eingegangen. Und wörtlich: „So kann man mit falschen Eingangsstempeln Politik machen.“

Regierungspräsident Max Gögler stellte daraufhin Strafantrag wegen übler Nachrede und Beleidigung – ein Mann, der meint, es gäbe sowieso schon „zuviel Meinungsfreiheit“. Die Staatsanwaltschaft verlangte 4.800 Mark Strafe von Maußhardt. Ein zweites Verfahren wegen Verstoßes gegen den Datenschutz stellte sie aber bald ein. Kopien des Wahleinspruchs waren bei der Jungen Union in Reutlingen aufgetaucht. Deren Vorsitzender ist der Sohn des dafür zuständigen Oberstaatsanwaltes, der gleichzeitig auch Maußhardt anklagte. Im November 1996 sprach das Amtsgericht Reutlingen Maußhardt frei. Der Regierungpräsident hielt seinen Strafantrag aufrecht: Der Oberstaatsanwalt legte Berufung ein.

Der Sache mit dem Eingangsstempel ging auch das Landgericht Tübingen jetzt nicht nach. Der Richter sorgte sich mehr um die Zukunft des Verfahrens. So gab es einen Deal: Maußhardt schrieb eine Art Ehrenerklärung für den inzwischen pensionierten Gögler. „Herr Maußhardt nimmt die gegen Dr. Gögler erhobenen Vorwürfe, soweit sie strafrechtlich relevant sind, mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück.“ Außerdem zahlt er 1.000 Mark an die Deutsche Journalistenschule in München. Vergangenen Montag zogen der alte und der neue Regierungspräsident den Strafantrag gegen Maußhardt zurück. Thomas Moser