Da steppt der Pandabär

■ Skandal im „Tower“: Echtem Musiker von falschem Tier die Show gestohlen

„Wenn der Sound mir so gefällt, dann geht es nicht um Geld“, sang Andreas Dorau auf seiner letzten Single „So ist das nun mal“. Eine korrekte Einstellung, zumal er seinen einzigen richtigen Hit als blutjunger Schüler mit der liebenswerten NDW-Narretei „Fred vom Jupiter“hatte. In den darauf folgenden Jahren hat er sich von der chronischen Hitlosigkeit nicht unterkriegen lassen. Statt Teenie-Heerscharen schart er nun ein elitär gesonnenes Publikum um sich, das in Doraus textlichen Albernheiten höhere Clownerie vermutet und die verschrobenen Elektronikspielereien seiner jeweiligen Partner als gewieften, hochmodernen Techno-House durchgehen läßt, obwohl dieser Sound seit dem Jupiter-Fred keine wirklich einschneidenden Veränderungen erfahren hat.

Keine Frage: Andreas Dorau ist lustig. Noch lustiger wäre er allerdings, wenn er sich selbst nicht so ernst nehmen würde. Bei seinem Konzert im ordentlich gefüllten „Tower“am Samstag zeigte sich wieder einmal, daß der Mann eher ein Planer und Tüftler als Spontan-Entertainer ist. Die lustigsten und umjubelsten Elemente seiner Show waren die Gastauftritte eines Statisten in wechselnden grotesken Kostümen. Als erstes kam er in schwarzweißem Ganzkörper-Plüsch daher. Die meisten vermuteten einen Hund, nur der Rezensent erkannte von Anfang an richtig: Hier steppt ein Pandabär. Ein kleiner Triumph für die journalistische Beobachtungsgabe. Der Bär war der Star des Abends. Er tat so, als würde er den eingesampelten Refrain der Kiffer-House-Hymne „Stoned Faces don't Lie“singen, rempelte beim Bühnebetreten durchs Publikum (man konnte in dem Kostüm wohl schlecht sehen), und zur Zugabe ließ der entfesselte Mob sich zu den erwarteten „Ausziehn! Ausziehn!“-Rufen hinreißen. Für den Disco-Hammer „Girls in Love“verkleidete sich der Bären-Boy als Girl, komplett mit Kleid und überdimensionalem Pappmaché-Mädchenkopf. Für ein Blumenlied hielt er sich eine Pappblume mit Gesicht vors eigene, die im Takt den Mund öffnen konnte.

Musik wurde auch gemacht, sogar ziemlich laut. Zu laut für den Sänger Dorau, dessen dünnes Stimmchen selten gegen die Computer- und Schlagzeugbeats ankam. Dem Gefallen tat das keinen Abbruch: Dorau, seine beiden Mitmusiker und vor allem der Bär wurden gefeiert. Die Stimmung war zwischen Schunkelmusik für Endzwanziger und Ballermann-Party für StudentInnen angesiedelt. Am besten kamen dabei 70's-verliebte Tanzstücke mit plakativen Samples wie „So ist das nun mal“und „Girls in Love“an. Stücke, für die das alte Neonbaby Inga Humpe wunderschöne Refrains auf die Festplatte gehaucht hatte, die all die Humpe-Fehltritte der letzten Jahre vergessen ließen. Bei aller Heiterkeit wurde eines klar: Die musikalischen Produktionsmittel mögen neue sein, ansonsten bleibt alles beim alten. House-AnhängerInnen haben keinen Grund mehr, über Platitüden im Alt-Herren-Rock die Nase zu rümpfen. Die zwanghafte Lustigkeit im Opa-House der auch nicht mehr 17jährigen Dorau-Mitstreiter ist keineswegs weniger formelhaft. Vorlieben sind reine Geschmacks-, keine Niveaufragen.

Andreas Neuenkirchen