„Unannehmlichkeiten schrecken uns nicht“

taz: Woher nehmen Sie die Kraft für Ihre Missionsarbeit?

Wolfram Slupina: Die ist biblisch begründet. Wir wollen eben über Gottes liebevolle Vorkehrung für die Menschheit sprechen. Die Verheißung, der wir entgegensehen, ist das ewige Leben auf der Erde.

Und dann wird Ihnen die Tür vor der Nase zugeschlagen.

Auch Jesus Christus wurde von vielen angefeindet. Wenn man zu einer gewissen Überzeugung steht, weiß man, daß damit auch gewisse Unannehmlichkeiten verbunden sind. Die schrecken uns nicht.

Wie ist Ihr Verhältnis zu den Ungläubigen? Bin ich denn schon verloren?

Die Bibel warnt davor, über andere zu richten. Aber natürlich befinden Sie sich in einer bedauerlichen Situation.

Aber was muß ich tun, um aus ihr herauszufinden?

Sie müssen nach den Regeln Gottes leben, die in der Bibel stehen.

Die Bibel ist über tausend Jahre alt. Wer sagt mir, ob ich ein Tamagotchi kaufen darf?

Die Entscheidung muß jeder selbst aufgrund seines Bibelstudiums treffen. Aber die Zeugen Jehovas gehen ja durchaus mit der Zeit.

Zivildienst haben Sie abgelehnt.

Weil er dem Verteidigungsministerium zugeordnet war. Jetzt untersteht er dem Familienministerium. Und ist dadurch kein Tabu mehr. Jeder Zeuge muß also selbst entscheiden.

Bei welchen Fragen bleiben Sie hart?

Bei Dingen, die nicht mit der Bibel übereinstimmen, wie Abtreibung, vorehelicher Geschlechtsverkehr, Homosexualität, Sodomie. Das lehnen wir ab.

Warum?

Weil es unmoralisch ist. Im Korinther-Brief steht: Weder Huren noch Ehebrecher, noch Männer, die bei männlichen Personen liegen, werden Gottes Königreich erben. Denken Sie dabei nur an Aids: Diese schreckliche Krankheit paßt in unsere Endzeitvorstellung.

Seit 1914 sagen Sie „Harmagedon“, den Weltuntergang, voraus. Bisher ist davon nichts zu spüren.

Das stimmt so nicht. Wir sagen, seit 1914 leben wir in der Zeit des Endes.

Also geht die Erde doch unter.

„Harmagedon“ bedeutet nicht die Vernichtung der Erde, sondern die Lösung aller menschlichen Probleme. Ein genaues Datum für „Harmagedon“ können wir jedoch nicht angeben. Gewiß ist: Dann wird Gott herrschen auf Erden. Paradiesische Zustände: kein Krieg, kein Hunger, soziale Gleichheit, intakte Umwelt...

...an denen nur Auserwählte teilhaben. Was passiert mit dem Rest, die nicht das Paradies auf Erden erleben?

Die werden vernichtet, physisch vernichtet. Aber ohne Höllenqual.

Wie muß ich mir die Vernichtung vorstellen?

Wissen wir nicht. Sicher ist, das Menschen keinen aktiven Anteil daran haben werden. Denken Sie an die Sintflut oder an Sodom und Gomorrha.

Ihre Hoffnungen richten sich also auf das Jenseits. Welche Vorteile hat ein Zeuge im Hier und Jetzt?

Die Bibel liefert aktuelle Lebenshilfe, sei es für ein harmonisches Familienleben oder die Geborgenheit in der Gemeinde. Egal, wohin Sie gehen, werden Sie in die Gemeinschaft der Zeugen aufgenommen. Es ist immer jemand für einen da. Interview: Uta Andresen