Ein Mord und ein einträgliches Geschäft

■ Kim Kerkows Eltern haben mit „Stern TV“ einen Exklusivvertrag abgeschlossen. Allianzen wie diese sind heftig umstritten

Die verdienen mit ihrem Schicksal viel Geld“, hat Heinz D., Vater des mutmaßlichen Mörders der zehnjährigen Kim Kerkow, der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung gesagt. Mit „die“ sind Kims Eltern Maike und Klaus Geißler gemeint. Die Geißlers haben mit Stern TV einen Exklusivvertrag über die Prozeßberichterstattung abgeschlossen. Um wieviel Geld es dabei geht, wollte Stern TV-Chefredakteur Andreas Zaik „nicht kommentieren“.

Allianzen zwischen Medien und Prozeßbeteiligten sind nicht neu, aber immer wieder für Aufregung gut. „Die Medien begleiten zunehmend spektakuläre Verfahren in finanzieller Hinsicht“, kritisiert Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Deutschen Presserats. Indiz dafür seien die immer häufiger abgeschlossenen Exklusivverträge. Daß Geld für spektakuläre Geschichten fließt, scheint die Regel zu sein. Haben Sender und Gazetten mal nicht gelöhnt, wird in vorauseilendem Gehorsam betont: „Wir haben für dieses Interview nicht eine einzige Mark gezahlt“.

Der Anwalt der Geißlers ist erstaunt: Was denn an einem Exklusivvertrag ehrenrührig sei, will Christian Landowski wissen. „Mit dem Tod von Kim wird nicht ein Pfennig Geld verdient“, versichern unisono Anwalt Landowski und Stern TV-Chefredakteur Zaik. „Der einzige Sinn dieses Abkommens besteht darin, daß meine Mandantin sich jetzt nur einmal und nicht fünfmal vor der Presse äußern muß“, ergänzt Landowski.

Das sieht Martin Amelung von der Arbeitsgemeinschaft Strafrecht des Deutschen Anwaltvereins anders. Wenn nicht wegen des Geldes, „wozu dann ein Exklusivvertrag?“, fragt der Münchner Rechtsanwalt.

Die Summen, die hinter Exklusivverträgen stehen, werden nur selten bekannt. Höchstens, wenn das Geschäft schiefgeht. Wie im Fall Monika Weimar. Daß eine junge Frau beschuldigt wurde, ihre beiden Kinder ermordet zu haben, zog einen unvergleichlichen Medienrummel nach sich. Nachdem Monika Weimar sich gegenüber dem stern trotz eines Exklusivvertrages nicht mehr auskunftswillig zeigte, zog die Hamburger Illustrierte vor Gericht. Sie wollte von Monika Weimar Schadensersatz – und das „nicht unter“ 200.000 Mark. Eine Zahl, mit der die stern- Leute durchaus richtig lagen. Während des Prozesses stellte sich heraus, daß RTL Monika Weimar für die exklusive Berichterstattung 250.000 Mark geboten hatte. Spektakuläre Fälle kosten spektakuläre Summen. Im Fall der ermordeten Natalie Astner soll ein Privatsender allein für ein Interview 40.000 Mark an die Eltern gezahlt haben.

„Häufig bleibt den Leuten gar nichts weiter übrig, als sich an die Presse zu wenden“, sagt Christian Landowski, der Rechtsanwalt von Kims Mutter, zu solchen Fällen. Nämlich dann, wenn die Prozeßkosten nicht anders finanziert werden könnten. „Für den Angeklagten gibt es den Pflichtverteidiger und Prozeßkostenhilfe für den Nebenkläger, wenn er in einem Strafprozeß Schmerzensgeld geltend machen will“, hält Rechtsanwalt Amelung dagegen. Zudem würden von den Nebenklägern keine „Unsummen“ verlangt. Ein Vertreter der Nebenklage kann im Durchschnitt für den ersten Prozeßtag etwa 1.300, für jeden weiteren Verhandlungstag 800 Mark verlangen. Natürlich, räumt der Münchner Rechtsanwalt ein, „ist so ein Verfahren für einen normalen Haushalt eine enorme Belastung.“ Doch mit einem langen Prozeß sei in Fällen wie in dem der ermordeten Kim nicht zu rechnen. Also auch „kein Muß für solche Exklusivverträge“, meint Amelung. Und, setzt er nach, „ich halte es für unseriös, meinen Mandanten – egal ob Täter oder Opfer – während des Verfahrens an die Presse zu verkaufen.“

Spätere Verwertung schließt der Münchner Rechtsanwalt Amelung offensichtlich nicht aus. Seine Frau, eine Journalistin, hat über den Oetker-Entführer Dieter Zlof nach dessen Haft ein Buch geschrieben. Zlofs Verteidiger war Martin Amelung. Uta Andresen