Liedervereinigung bloß halbherzig vollzogen

■ Die Aktion „Test the Ostrock“ fand bei den Weststars mehr oder weniger wohlwollende Nichtbeachtung. Bloß Lindi sieht „grandiose Zukunft mit unbeschreiblich geiler Musik“

Als wäre das innerdeutsche Verhältnis sieben Jahre nach dem Zusammenwürfnis nicht Warnung genug, trieb es die einstige DDR- Plattenfirma Amiga – welche heute zur BMG Ariola gehört – in eine gewagte Unternehmung. Anläßlich ihres 50jährigen Bestehens kam sie auf die Idee, mit einer Tribute-CD alten DDR-Hits (und damit sich selbst) Ehrerbietung zu erweisen. Dieses Projekt „Und wir gingen auf uns zu...“ zu betiteln zeugte von besonderem Optimismus, endete der erste Versuch einer Big Party des deutschvereinten Rockbiz doch ziemlich ernüchternd. Zum „Gesamtdeutschen Rockpalast“ 1996 in der Berliner Waldbühne trauten sich mit Selig und Extrabreit nur zwei Branchenvertreter West, wobei letztere nun wirklich nichts mehr zu verlieren hatten.

Diesmal bat man um eine musikalische Spende für die deutsch- deutsche „Liedervereinigung“. Die Toten Hosen oder Herbert Grönemeyer hatten wenigstens noch Zeit für eine Absage, die Fantastischen Vier reagierten gar nicht, nur auf Deutschrock-Veteran Udo L. war mal wieder Verlaß. Der im Osten immer noch hochverehrte Lindi verabreichte beste Glückwünsche und alles Gute für eine „grandiose Zukunft mit unbeschreiblich geiler Musik“. Dazu spendierte er für den inoffiziellen „Greatest West-Ost-Hits“-Sampler großherzig seinen eigenen Ostrock-Klassiker „Rock 'n' Roll Arena in Jena“ in Kurzvariante. Nichts so richtig Neues. Auch das Maffay-Dreilich-Duett „Über sieben Brücken“ datiert schon von 89.

So versuchten eben die Zweitligisten der Westszene das Projekt, das laut Amiga-Chef Stempel irgendwie auch aus „politischen Gründen“ entstand, doch noch zu retten. Ganz unideologisch heran ging zum Beispiel Stoppok, der zwar die etablierten Ostrock-Größen auch ignoriert, sich aber einfach das raussuchte, was er mag: Holger Bieges „Annabell“. Mut zum großen Kitsch bewiesen Rosenstolz, die Nina Hagens „Tango“ entdeckten, sowie Creme 21, die die einstige DDR-Disco-Hymne „Und wir gingen auf uns zu“ coverten.

Weil damit das Album noch nicht zu füllen war, holte Amiga noch ihre alten Stammkunden ins Studio, auf daß die die Hits der Kollegenschaft coverten. Das alles klingt nicht so, als müßte die Geschichte des östlichen Rockmusikschaffens neu geschrieben werden, aber es gibt auch Überraschungen. So hätte die Jazzkantine für ihre Bearbeitung der legendären Erkennungsmelodie realsozialistischer Schönfärberei – bekannt als Trailer zur „Aktuellen Kamera“ – zu Ostzeiten wohl den Orden „Held der Arbeit“ gekriegt hätte. Insgesamt gilt freilich wie überall: Ein schlechter Song bleibt ein schlechter (Karats „Magisches Licht“), während sich ein guter locker verhunzen läßt. Gunnar Leue

Verschiedene: „Und wir gingen auf uns zu...“ (Amiga/BMG)