Baby-Benz belastet Mutterkonzern

Mercedes fürchtet nach einem Testunfall um das Image seiner Autos. Deshalb soll die A-Klasse serienmäßig mit einem elektronischen Spursystem bestückt werden  ■ Von Annette Jensen

Berlin (taz) – Ein umgekipptes Auto kostet Mercedes viel Geld. 100 Millionen Mark pro Jahr will der Konzern dafür aufwenden, die neue A-Klasse mit einer Fahrdynamikregelung auszustatten. Sie soll verhindern, daß der Kleinwagen einseitig abheben und bei extremen Lenkbewegungen umfallen kann – so wie vergangene Woche bei einer Testserie in Schweden geschehen. Mehrere deutsche Medien hatten daraufhin flugs das gleiche Panik-Ausweichmanöver bei 60 Stundenkilometern noch einmal durchführen lassen. Nur dem Können des Fahrers sei es zu verdanken gewesen, daß der Wagen nicht umgestürzt sei, hieß es.

Gestern trat der Nobelkarossenhersteller die Flucht nach vorn an. Zwar wies der zuständige Vorständler Jürgen Hubbert zunächst auf TÜV-Einschätzung hin, es gäbe „keinerlei Zweifel an der Sicherheit des Mercedes-Modells“. Doch was eigentlich nur für die großen Schlitten entwickelt wurde, soll jetzt auch in die A-Klasse eingebaut werden: ein elektronisches Spursystem. 1.700 Mark kostet es pro Fahrzeug. Außerdem soll ein bestimmtes Reifenfabrikat nicht mehr verwendet werden. Die Zeche zahlt Mercedes, versicherte Hubbert. Die BesitzerInnen der bereits ausgelieferten 3.000 Kompaktwagen können ihr Auto nachrüsten lassen.

Für den Vizechef des Betriebsrats, Alfons Görgemanns, sind die Ereignisse der letzten Tage zweischneidig. „Eine zusätzliche Ausstattung ist nicht schlecht. Schließlich muß sie irgendwer bauen.“ Andererseits fürchtet er einen Imageschaden für Mercedes, der sich negativ auf Absatz und Produktion auswirken könnte.

Doch auch wenn Mercedes- Händler in den vergangenen Tagen einige Abbestellungen entgegennehmen mußten: Die bisher 110.000 vorliegenden Bestellungen für den Baby-Benz sind sowieso erst im kommenden Sommer abgearbeitet. Bis zum Jahresende werden gerade einmal 28.000 auf den Straßen herumkurven.

Mercedes hatte die Einführung der A-Klasse mit einer beispiellosen Kampagne vorbereitet. Seit 18 Monaten versucht der Konzern, mit Gewinnspielen und Straßenaktionen, Anzeigen, Plakaten, Kino- und Fernsehspots, die Bevölkerung darauf einzustimmen, daß jetzt auch ein Auto von der Größe des Opel Corsa oder VW-Polo einen Stern auf der Kühlerhaube hat. Viele ExpertInnen aus der Werbebranche waren skeptisch, ob eine so lang angelegte Reklamephase funktionieren kann – doch die Macher bei Mercedes hatten das Interesse der Deutschen am neuen Kleinwagen richtig eingeschätzt.

Werner Dierker von der Deutschen Werbewissenschaftlichen Gesellschaft vermutet, daß der Unfall dem Mercedes-Image nicht nachhaltig schadet: „Der Vorfall ist zwar ein ärgerliches Phänomen, der das Unternehmen viel Geld kostet und nicht den Ruf fördert.“ Aber erhebliche Auftragseinbußen erwartet er trotzdem nicht. Wichtig in solchen Fällen sei für einen Betrieb, deutlich zu machen, daß Fehler passieren können. „Wenn ein Unternehmen die eingesteht und etwas dagegen tut, dann glaubt man ihm.“ Zugute käme Mercedes dabei, daß sich die Kommunikation des Unternehmens in den vergangenen fünf Jahren gewandelt habe. „Früher haben Techniker Autos entwickelt, und die Kunden mußten artig in eine Filiale gehen und dort einen Mercedes bestellen“, so Dierker. Doch die Konkurrenz habe den Konzern mit dem Stern dazu gezwungen, transparenter zu arbeiten und auf die Bedürfnisse der Kundschaft einzugehen. Deshalb sei Mercedes überhaupt ins neue Marktsegment eingestiegen. Kommentar Seite 12