Die Koalition in NRW soll nicht kaputtgehen

■ Statt weiterhin lauthals um den Kohletagebau Grazweiler II zu streiten, verabredet sich die rot-grüne Landesregierung zu Besonnenheit. Dennoch ist die Krise noch nicht vom Tisch

Düsseldorf (taz) – Johannes Rau verbreitet Optimismus: „Ich bin zuversichtlich, daß wir mit dieser Koalition erfolgreich weiterregieren werden.“ Eine Lösung für den zwischen Bündnisgrünen und SPD umstrittenen Braunkohletagebau Garzweiler II hat der nordrhein-westfälische Ministerpräsident zwar noch nicht in der Tasche, doch hinter den Kulissen wird nach monatelangen Schaukämpfen ernsthaft über eine für beide Seiten tragbare Regelung gesprochen.

Im Kern geht es dabei darum, rund um den noch in diesem Jahr zur Genehmigung anstehenden Rahmenbetriebsplan Festlegungen zu treffen, die die Rückholbarkeit des Projekts ohne Schadenersatzpflichten sicherstellen. Parteisprecherin Barbara Steffens deutete vor einigen Tagen bereits an: „Wenn der Rahmenbetriebsplan keine juristischen Folgekonsequenzen wie Schadenersatzpflicht hätte, dann müßte man natürlich darüber reden können, wie man eine Überprüfung einleitet, ob Garzweiler notwendig ist.“

Darüber hinaus erwarten die Grünen, daß den von Umweltministerin Bärbel Höhn aufgeworfenen wasserrechtlichen Fragen in allen Details nachgegangen wird. Ursprünglich sollte darüber heute ein Gespräch mit den für die Genehmigung des Rahmenbetriebsplans zuständigen Beamten vom Bergamt Düren und Vertretern aus dem Wirtschafts- und Umweltministerium stattfinden. Doch der Termin wurde am Freitag vom Bergamt abgesagt. Da die Fachaufsicht für das Bergamt beim sozialdemokratischen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement liegt, sorgte die Absage bei den Grünen zunächst für Besorgnis. Als Eskalation wird die Absage inzwischen nicht mehr gewertet, zumal Clement am Samstag im Kölner Stadtanzeiger ein Bekenntnis zur Fortsetzung der rot-grünen Koalition abgab.

Nach Informationen der taz ist Clement – im Gegensatz zu SPD- Fraktionschef Klaus Matthiesen – bestrebt, eine Lösung zu finden, die beiden Regierungsparteien erlaubt, das Gesicht zu wahren. Während der Rau-Kronprinz in den letzten Monaten zu suggerieren suchte, Garzweiler II könne gar nicht mehr gestoppt werden, stimmte er vor einigen Tagen im WDR ein anderes Lied an. Im gesamten Genehmigungsverfahren spiele „die Rückholbarkeitsklausel eine enorme Rolle“. Gleichzeitig brachte Clement eine Art Drittellösung bis ins Jahr 2017 ins Gespräch. Denkbar sei es, nach dem Jahr 2000 zu überprüfen, „ob die weiteren Schritte über das erste Drittel hinaus richtig und notwendig und vertretbar sind“.

Eine solche „Drittellösung“ hatte schon bei den Koalitionsverhandlungen eine wesentliche Rolle gespielt. Heraus kam eine Formulierung im Koalitionsvertrag, wonach die Landesregierung vom Betreiberunternehmen Rheinbraun eine Begrenzung des Abbauantrages auf ein Drittel „erwartet“. Daß das RWE-Tochterunternehmen sich dem verweigerte, geht auch auf Matthiesen zurück, der, kaum daß die Tinte unter dem Vertrag zu trocken begann, RWE ermunterte, doch ja nicht der Erwartung des Koalitionsvertrags zu entsprechen. Ob eine Drittellösung heute noch machbar ist, steht dahin.

Eine rechtsverbindliche Verkleinerung des Projekts auf ein Drittel war bei den Grünen schon im Sommer im Gespräch. Nach Protesten aus den eigenen Reihen beschloß der Parteitag in Borken aber, daß es mit den Grünen „kein Garzweiler II und auch keine Teillösungen“ geben werde. Das letzte Wort muß dies nicht sein. Bei einem „fairen Kompromiß“, davon gehen zumindestens Realos und Regierungslinke aus, „ist auf einem Parteitag alles möglich“.

Unter Wahlgesichtspunkten scheint der Garzweiler-Streit den rot-grünen Koalitionären nicht zu schaden. Nach einer Umfrage des Münchener polis-Insituts haben 30 Prozent heute einen besseren Eindruck von der Düsseldorfer Koalition als noch vor zwei Jahren. Walter Jakobs Kommentar Seite 12