■ An Garzweiler II muß die rot-grüne Koalition nicht scheitern
: Offener Prozeß, offenes Ende

Endlich ist Bewegung im Düsseldorfer rot-grünen Spiel. Doch Vorsicht! Noch sind die eifrigen Propagandisten höchst selektiver Wahrheiten nicht geschlagen. Die politische Vernunft bricht sich erst langsam Bahn. Dabei lag die Lösung des zwischen SPD und Bündnisgrünen so heftig umstrittenen Braunkohletagebaus Garzweiler II von Anfang an nahe. Man muß sich nur den Zeithorizont vor Augen führen. Es geht um eine Genehmigung, die bis weit in die Mitte des nächsten Jahrtausends reichen soll. Niemand weiß, was bis dahin tatsächlich passiert.

Das Maß der Unsicherheit dokumentieren schon allein die Energiebedarfprognosen, die – je nach unterstellter Technikentwicklung – auch bei gleichen Wirtschaftswachstumserwartungen völlig unterschiedlich ausfallen. Letztlich wird die Zeit die Antwort weisen. Deshalb kann das vom Grundsatz her noch durch die SPD-Alleinregierung genehmigte Projekt sachgerecht nur in Teilschritten genehmigt werden. Die Entscheidungen müssen im Lichte der realen Entwicklungen getroffen werden.

Es geht also um einen offenen Prozeß, und der ist in der Grundsatzgenehmigung auch schon explizit enthalten. Wenn sich die Grundannahmen zur Energieversorgung oder zum Erhalt der im Abbaugebiet liegenden Feuchtgebiete in den nächsten Jahren nicht bestätigen, dann ist Ende.

Auch SPD-Fraktionschef Matthiesen, der jetzt in demagogischer Weise die Endgültigkeit des Projektes zu suggerieren sucht, war schon schlauer. Im Landtag beschrieb er die Lage noch Anfang 95 korrekt: Die Genehmigung sehe vor, daß das ganze Projekt „überprüft, erforderlichenfalls geändert und notfalls zurückgeholt werden kann“.

Dem gewollt offenen Prozeß jetzt auch einen juristisch belastbaren Rahmen zu verschaffen, ist heute Aufgabe der Düsseldorfer Politik. Auch die konkrete Formulierung für den zur Genehmigung anstehenden Rahmenbetriebsplan gehört dazu. Im übrigen gilt: Ein offener Prozeß hat offen zu sein – nach beiden Seiten hin. Sollten die Argumente der Garzweiler-Gegner nicht tragen, wird der Tagebau kommen – zumindestens in kleinen Schritten. Es sei denn, RWE verlöre aus Profitinteresse die Lust daran. Auch diese Variante ist denkbar, wie die Börsenanalysten der Dresdner Bank vorgerechnet haben. In dieser Situation weiter radikale „Niemals“-Posen zu pflegen, mag den Akteuren Erleichterung verschaffen, doch mit radikaler Politik hat ein solches Getue nichts zu tun. Walter Jakobs